Booten EG und USA die Dritte Welt aus?

Gatt-Verhandlungen über den freien Welthandel: Zustimmung und Skepsis gegenüber Annäherung  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Mit Skepsis verfolgen die 94 anderen Gatt-Staaten die neue Annäherung zwischen der EG und den USA. Ein Treffen zwischen US-Präsident George Bush und EG-Kommissionspräsident Jacques Delors am letzten Wochenende in Den Haag hatte die Fronten in der Agrarfrage zwischen den USA und der EG aufgeweicht, so daß ein Abschluß der Beratungen zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) bis Ende des Jahres nicht mehr völlig unmöglich scheint. Die Unterhändler aus Brüssel und Washington äußerten sich jedenfalls gestern in der Genfer Gatt- Arbeitsgruppe zu Agrarfragen zuversichtlich.

Skeptisch sind vor allem die Staaten der Cairns-Gruppe, zu der sich 14 agrarexportierende Länder zusammengeschlossen haben. Brasiliens Agrarminister Antonio Cabrera sagte gestern in Genf, „im Prinzip“ würde die Kompromißbereitschaft von USA und EG von der Cairns- Gruppe zwar „begrüßt“. Ihre abschließende Haltung werde die Gruppe jedoch erst formulieren, wenn Ergebnisse schwarz auf weiß vorlägen. Schließlich hatten im vergangenen Jahr die Gatt-Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels wegen der starren Haltung der EG, die auf ihren Agrarsubventionen beharrte, abgebrochen werden müssen.

Beim Treffen zwischen Bush und Delors hatte der US-Präsident die Bereitschaft angedeutet, seine Forderung nach Streichung von 90 Prozent der Agrarsubventionen in zehn Jahren auf 30 bis 35 Prozent innerhalb von fünf Jahren zu reduzieren; unter der Bedingung, daß die EG sich zugleich zu Folgeverhandlungen nach fünf Jahren verpflichtet.

Die Cairns-Gruppe, in deren Ländern die Bauern unter den subventionierten EG-Preisen echte Nachteile haben, forderte bisher einen noch weiteren Subventionsabbau. Ebenso wie eine Reihe von Drittweltstaaten hatte sie im Verlaufe der letzten 14 Monate immer wieder die Sorge geäußert, die großen Handelsblöcke EG, USA und Japan könnten sich aus übergeordneten politischen Gründen über ihre Köpfe hinweg zu ihren ungunsten einigen. Cabrera verlangte, die Gespräche zwischen Brüssel und Washington müßten umgehend wieder im „multilateralen Rahmen“ aller 197 Gatt-Staaten geführt werden.

Auch wenn die von Bush in Den Haag genannten neuen Zahlen von der US-Handelsbeauftragten Carla Hills auf Anfrage offiziell noch nicht bestätigt werden, dienen sie als Grundlage für die Gespräche zwischen Brüssel und Washington auf hoher Ebene wie zwischen den Genfer Unterhändlern beider Seiten. Diese hochrangigen Gespräche wurden gestern bei einem Treffen zwischen EG-Landwirtschaftskommissar Mac Sherry und seinem US-Kollegen Madigan in Rom fortgesetzt. Umstritten ist noch das Berechnungsgrundjahr für die Reduzierung von Subventionen. Die EG beharrte bislang darauf, 1986 zum Ausgangsdatum zu nehmen. So könnten die EG-Subventionskürzungen aus der zweiten Hälfte der 80er Jahre angerechnet werden. Diese Kürzungen sind allerdings durch die massiven Erhöhungen im jüngsten Brüsseler Agrarsubventionsbudget wieder wettgemacht worden.