: "Mehr als nur ein Spiel mit dem Feuer"-betr.: Asylpolitik
betr.: Asylpolitik
Nachdem ich in den Medien im Zusammenhang mit der „neuen Asylpolitik“ den Begriff „Sammellager“ vernahm, wollte ich es als gnadenlos Zuspätgeborener (1965) einmal genauer wissen: So bot man mir aus Bonn als englische Übersetzung des Wortes „Sammellager“ begriffe wie „joint housing project“ oder „international housing center“ an. Voller Dankbarkeit werde ich diese Übersetzungsvarianten in Zukunft meinen ausländischen Freunden gegenüber verwenden, um endlich von dem häßlichen Wort des „concentration camp“ wegzukommen.
Sie meinen, mit dieser Assoziation würde ich zu weit gehen? Auch dann noch, wenn Sie sich ansehen, was in diesem Zusammenhang von den Vertretern des „Parteienkompromisses“ geäußert wird?
Zum Beispiel von Herrn Stoiber, Bayerns Innenminister, der von den 80 bis 90 zentralen Lagern als 80 bis 90 neuen Brandherden spricht. In meinen Ohren klingt das wie ein Aufruf zur Brandstiftung und nicht nur zur politischen! Oder denken Sie an jene Politiker, die die Bundeswehr zur „Bewachung“ der „Sammellager“ einsetzen wollen. Daß dies laut Grundgesetz gar nicht zulässig wäre, sollte den entsprechenden Herren und Damen eigentlich nicht erst erklärt werden müssen. Oder planen diese Politiker gar, vorsorglich zu jedem Grundgesetzartikel einen „Näheres regelt ein Gesetz“-Vorbehalt zu erlassen?
Wie politisch naiv oder fahrlässig sind eigentlich die verantwortlichen SPD-Politiker, die da glauben, daß mit den verbalen Brandstiftern von CDU/CSU ein tragbarer Kompromiß in der Asylpolitik zu erzielen sei? Ein elementares Grundrecht zu „verändern“ mit Parteien, die sich bisher wirklich nicht als Vorkämpfer für Minderheiten und Verfolgte hervorgetan haben, ist in meinen Augen mehr als nur ein Spiel mit dem Feuer.
Jeder, der sich in der weltweiten Flüchtlings- und Asylproblematik auskennt, bestätigt, daß die jetzigen Zahlen von zu uns flüchtenden Menschen „nichts“ sind im Vergleich zu denen, die noch auf uns zukommen werden. Und dann: immer noch „Sammellager“? Mit Verantwortlichen, die sich zwar Politiker nennen, aber nur „Volkes Stimme“ und sogenannten Sachzwängen hinterlaufen und nicht gewillt sind, Politik progressiv zu gestalten, wird es allerdings unmöglich sein,dieser gewaltigen Aufgabe gerecht zu werden.
Was wird dann noch von der oft zitierten „multikulturellen Gesellschaft“, auch bei der SPD, übrigbleiben? Etwa nur noch folkloristische Auftritte bayerischer Trachtenmusikanten im Saarland? Ist es deshalb nicht allerhöchste Zeit, diese hehre Vorstellung mit gelebter Solidarität zu füllen und den dumpfen Schlägen und Stammtischen eine klare Absage zu erteilen? Erik Pust, Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen