Meister des russischen Roulette

■ Ivan Lendl schlägt Jim Courier und ist im Halbfinale der ATP-Weltmeisterschaft/ Karel Novacek draußen/ Michael Stich ging gegen Pete Sampras baden

Frankfurt/Main (taz) — Nach Guy Forget zum Auftakt mußte sich auch Beach-Boy Jimmy Courier vor Altmeister Ivan Lendl verbeugen: „Er ist ein großer Champion. Und alle großen Champions spielen gut, wenn's darauf ankommt“, sagte Courier nach dem Match gegen den Tschechoslowaken, der seit Jahren in Greenwich/Connecticut (USA) lebt. Wie gut Lendl bei der ATP-Tour-Weltmeisterschaft 1991 drauf ist, mußte der Mann mit der Mütze, der nach dem Ausfall von Stefan Edberg automatisch zur Nr.1 des Turniers avancierte, schon nach dem ersten Satz schmerzlich konstatieren. Im D-Zug-Tempo war er mit 6:3 vom Court gefegt worden. Und im zweiten Satz konnte Courier nur zwei Spiele gewinnen: „Ich weiß nicht genau, was es ist. Er spielt einfach zu gut — gegen mich“ ( Courier).

„Was wissen die schon von mir. Keiner weiß, wie ich wirklich bin.“ Ivan Lendl pflegt sein Image. Und weil er von seinen Gegnern nicht auszurechnen ist, hat der Mann mit den familiären und geschäftlichen Verpflichtungen — Lendl ist Chef einer Hemdenfirma und Vorstandsmitglied eines Eishockeyclubs — auch mit 31 Jahren noch Chancen auf den Weltmeistertitel. „Du mußt ein Typ sein, der nichts an sich heranläßt. So ein Typ ist Lendl, ein Selbstquäler.“ Das jedenfalls sagt sein Ernährungsberater Robert Haas. Ex-Becker-Trainer Bob Brett glaubt dagegen, daß Lendl krankhaft ehrgeizig sei. Nie sei er mit dem Erreichten zufrieden gewesen — „und als er Nummer eins war, wollte er Nummer null werden, Nummer eins war ihm zu wenig.“ Mit seinem Sieg gegen Courier hat Lendl jedenfalls als erster Spieler das Halbfinale erreicht: Ein zweiter Frühling für den bereits abgeschriebenen Tycoon.

Genullt wurde am zweiten Tag der Championships der zweite Deutsche im Achterfeld. Wimbledon-Sieger Michael Stich ging gegen Sonny-Boy Pete Sampras sang und klanglos unter. Sampras spielte schnörkelloses, klassisches Tennis — schließlich hat der 20jährige einen griechischen Vater. Und Stich spielte übernervös und deshalb vor allem im ersten Satz einfach schlecht. Nach nur einer Stunde und 37 Minuten hatte Sampras das Match mit 6:2 und 7:6 gewonnen. „Pete hat einfach besser gespielt und die wichtigsten Punkte gemacht“, sagte Stich nach dem Spiel. Dennoch habe es „Spaß gemacht“, draußen auf dem Court zu sein: „Die Atmosphäre war gut, die Zuschauer waren gut, nur kann man nicht erwarten, daß ich jede Woche und bei jedem Match gut bin.“

Das Spiel Becker gegen Stich, das gestern gegen 20 Uhr begann, ist für die beiden Deutschen nach ihren Auftaktniederlagen das Schicksalsmatch. Der Verlierer ist aus dem Turnier — so wie der tapfer kämpfende Karel Novacek, der sein Schicksalsmatch gegen Guy Forget mit 6:3 und 7:6 verlor. Ein „Glücksspiel“ sei der Tie-Break im zweiten Satz gegen den Tschechoslowaken gewesen, meinte ein erleichterter Forget auf der Pressekonferenz: „Karel verpaßte eine einfache Vorhand. Und das war's dann. Also für mich ist das wie russisches Roulette.“ Klaus-Peter Klingelschmitt