: Fluchtburg TU Berlin
■ Konflikt zwischen Unileitung und Flüchtlingen
Berlin (taz) — Seit über drei Wochen halten Asylbewerber aus Osteuropa — inzwischen sind es 60 Personen — elf Seminarräume im Mathematikgebäude der Technischen Universität in Berlin besetzt. Dort, wo sonst Studenten über Formeln brüten, liegen Matratzen, spielen Kinder, brutzeln Frauen Essen auf Elektroherden — ein ziemliches Chaos, 600 qm Wohnfläche sind nicht viel. Unterstützt und koordiniert wird die Besetzung vom Antirassistischen Zentrum, ein Koordinationsorgan diverser autonomer Flüchtingsgruppen.
Sie haben ihr Quartier im naheliegenden Asta-Gebäude aufgeschlagen und angekündigt, daß sie auch weiterhin Flüchtlingen, die sich entgegen den behördlichen Weisungen entschieden haben, in Berlin zu bleiben, vorübergehend eine sichere Unterkunft anbieten. Mit der Besetzung von Seminarräumen wollen die Flüchtlinge vom Berliner Innensenat ein Ende der Zwangsabschiebungen und ein Bleiberecht in Berlin erstreiten.
Der politische Konflikt über Asylverfahren und Länderquoten droht auf einem Nebenschauplatz ausgetragen zu werden. Zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Universitätsleitung, Unterstützergruppen, Flüchtlingen und Teilen der Studentenschaft ist es nämlich über die Raumfrage gekommen. Der Akademische Senat erklärte sich zwar wiederholt mit den Flüchtlingen solidarisch, besteht aber darauf, daß die Besetzer die Seminarräume verlassen und in eine leerstehende TU-Kindertagesstätte einziehen. Die TU-Leitung hat für den Umzug ursprünglich ein Ultimatum bis zum 13. November gestellt. Nach wie vor weigern sich die Flüchtlinge, dieses Angebot wahrzunehmen: Die Räume der Kita seien mit 300 qm Wohnfläche viel zu klein. Sie wollen von der TU ein ganzes Haus haben. Viele Studenten interpretierten das Ultimatum als Ankündigung eines Polizeieinsatzes und besetzten präventiv ein leerstehendes Gebäude der Kraftfahrzeugtechnik. Um die Flüchtlinge zu schützen, übernachteten über 100 StudentInnen in der Universität. Der Konflikt wurde gestern entschärft: Die TU hat angekündigt, daß die Flüchtlinge vorerst weiter bleiben dürfen, allerdings nur, wenn die Kochplatten abgestellt und Sicherheitsingenieure sowie Universitätsleitung die Räume unangemeldet und ungehindert betreten können. Anita Kugler
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