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INTERVIEWWar es Totschlag oder Notwehr?

■ Justizsprecherin Uta Fölster zum Stand der Ermittlungen um den Tod des 19jährigen Mete Eksi/ »Die Staatsanwaltschaft ermittelt in alle Richtungen«/ Hauptbeschuldigter sitzt zweieinhalbjährige Haftstrafe ab

taz: Warum schließt die Staatsanwaltschaft aus, daß der 23jährige Hauptbeschuldigte Michael Sch. aus rassistischen Beweggründen mit dem Baseballschläger auf Mete Eksi eingeschlagen hat?

Uta Fölster: Nach den bisherigen Ermittlungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tat rassistisch bedingt war oder daß die drei deutschen Brüder den Skinheads oder sonstigen Rechtsradikalen zuzuordnen sind. Es war wohl eher so, daß es zwischen der türkischen und deutschen Gruppe einen verbalen Streit gegeben hat. Was der Anlaß war, vermag ich nicht zu sagen. Dieser artete dann in eine Schlägerei aus.

Wer hat damit angefangen?

Die Darstellungen der beiden Gruppen sind unterschiedlich. Deshalb gibt es auch zwei Ermittlungsverfahren: gegen die drei Deutschen wegen des Verdachts des Totschlags und gegen die vier Türken wegen Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft prüft jetzt: Wer hat angefangen, wen wann angegriffen, oder sich möglicherweise nur verteidigt?

Warum wurde gegen den Hauptbeschuldigten kein Haftbefehl wegen Totschlags erlassen?

Dafür ist ein dringender Tatverdacht erforderlich, der aber nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht bejaht werden kann.

Demnach hält die Staatsanwaltschaft eine Notwehr des Hauptbeschuldigten für denkbar?

Diese Frage wird bei allen an der Schlägerei Beteiligten geprüft. Der Hauptbeschuldigte, der zum Zeitpunkt der Tat Freigänger war und anschließend sofort in die Justizvollzugsanstalt zurückkam, beruft sich auf Notwehr beziehungsweise Nothilfe für einen seiner Brüder.

Er hat jetzt keinen Freigang mehr, so daß von einer akuten Fluchtgefahr derzeit nicht auszugehen ist.

Was für Waffen wurden gefunden?

Fakt ist, daß einer der Türken den Baseballschläger, mit dem der Hauptbeschuldigte den jetzt Verstorbenen auf den Kopf geschlagen haben soll, aus einem Auto geholt hat. Der Türke hat dies bei seiner Vernehmung eingeräumt, sagt aber, er habe den Schläger nicht geholt, um anzugreifen, sondern um die Deutschen von möglichen Angriffen abzuhalten.

Diesen Schläger soll der Hauptbeschuldigte dem Türken entwunden haben. In besagtem Auto hat die Polizei noch ein Messer und ein Machete sichergestellt, wobei noch zu prüfen ist, wem diese Waffen zuzuordnen sind.

Der Hauptbeschuldigte soll einen Messerstich in den Oberschenkeln bekommen haben. Von wem?

Das ist noch völlig ungeklärt. Der Messerstich soll relativ frisch gewesen sein, so daß die Verletzung der Auseinandersetzung zeitlich zuzuordnen ist.

Gesetzt den Fall, der Hauptbeschuldigte hätte demnächst Strafende, würde dann der Erlaß eines Haftbefehls erneut geprüft?

Wann er seine zweieinhalb Jahre Haft verbüßt hat, ist mir nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft wird die Frage des Haftbefehls unabhängig von der Frage der Entlassung prüfen, sofern ein dringender Tatverdacht besteht. Interview: Plutonia Plarre

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