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USA drohen Libyen mit Vergeltung für Lockerbie

■ US-Präsident Bush berät mit dem britischen Premierminister Major über mögliche Strafaktion/ Auch Frankreich erwägt Vergeltung/ Libyen streitet Vorwürfe ab und verlangt Einschaltung eines internationalen Gerichtshofes

Edinburgh/Washington (afp/taz) Als Vergeltung für den Bombenanschlag auf eine PanAm-Maschine im Dezember 1988 erwägen die USA nun eine Strafaktion gegen Libyen. Nach den Worten von Präsidentensprecher Fitzwater schließt seine Regierung einen Militäreinsatz nicht aus. US-Präsident Bush versucht derzeit nach den Worten von Sicherheitsberater Brent Scowcroft, ein internationales Bündnis für die Bestrafung Libyens auf die Beine zu stellen. Bei dem Anschlag war die PanAm- Maschine über der schottischen Ortschaft Lockerbie explodiert. 270 Menschen kamen ums Leben.

Die schottische und die amerikanische Justiz hatten gestern bekanntgegeben, zwei libysche Geheimagenten würden wegen Beteiligung an dem Lockerbie-Anschlag mit Haftbefehl gesucht. Dabei handelt es sich um die Libyer Abdel Baset Ali Mohmed el Megrahi und Ali Amin Chalifa Fhimah. Nach einem Bericht der schottischen Staatsanwaltschaft bereiteten die Geheimagenten den Anschlag von Lockerbie vier Jahre lang von Libyen, der Schweiz, der DDR, der Tschechoslowakei und Malta aus vor.

Fitzwater erklärte im Weißen Haus in Washington, Bush berate mit führenden Persönlichkeiten anderer Länder, darunter mit dem britischen Premierminister John Major, welche Antwort auf diese „jüngste terroristische Übeltat der Regierung Gaddafi“ gegeben werden könne. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble begrüßte am Freitag die Ermittlungsergebnisse der amerikanischen und britischen Behörden als „entscheidenden Schlag gegen den internationalen Terrorismus“. In einer in Bonn veröffentlichten Erklärung des Ministers hieß es, an dem Erfolg habe auch das Bundeskriminalamt Anteil. Der israelische Terrorismusexperte Ariel Merari bezeichnete demgegenüber die von den USA und Großbritannien vorgebrachten Beweise als schwach. Es sehe nach einem Versuch aus, Syrien von Terrorismusvorwürfen zu entlasten.

Nach Einschätzung von Beobachtern dürfte Washington auch Kontakt zu Paris aufgenommen haben, wo seit Oktober nach vier Libyern, darunter dem Schwager des libyschen Staatschefs Muammar el Gadaffi, gefahndet wird, denen ein Anschlag auf eine UTA-Maschine im Jahr 1989 vorgeworfen wird. Zum Abschluß des deutsch-französischen Gipfels erklärte Staatspräsident Mitterand, die französische Regierung werde wahrscheinlich nächste Woche entscheiden, ob sie sich einer möglichen US-amerikanisch-britischen Militäraktion gegen Libyen beteiligen werde.

Nach den Worten Fitzwaters will sich Washington zunächst aber um die Auslieferung der Attentäter bemühen. Das amerikanische Außenministerium beschuldigte Libyen in einer am Donnerstag veröffentlichten detaillierten Erklärung, weltweit den Terrorismus zu unterstützen. „Trotz der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft ist Tripolis einer der bedeutendsten Geldgeber für den Terrorismus auf der Welt und erlaubt Terroristen auch weiterhin, in Lagern in ganz Libyen zu operieren“, heißt es darin.

Die USA, die sich bereits in der Vergangenheit das Recht nahmen, auch im Ausland von ihrer Justiz gesuchte Personen festzunehmen, gingen in der Vergangenheit mehrmals gegen Libyen vor. 1981 schossen amerikanische Marineflugzeuge nach Vorwarnung zwei libysche Kampfjäger über dem Golf von Sidra ab. Als Vergeltung für einen Anschlag auf die von Amerikanern besuchte Diskothek „La Belle“in Berlin bombardierte die US-Luftwaffe 1986 Tripolis. Der Anschlag auf die PanAm-Maschine wiederum wurde als Racheakt für den US-Angriff auf die libysche Hauptstadt gewertet, bei dem über 40 Menschen, darunter die Adoptivtochter von Staaschef Muammar el Gadaffi, getötet wurden.

In einer vom libyschen Außenministerium über die amtliche Nachrichtenagentur Jana verbreiteten Erklärung heißt es, die USA und Großbritannien sollten neutrale Schiedskommissionen oder den internationalen Gerichtshof in Den Haag anrufen, um ihre Vorwürfe überprüfen zu lassen. Der libysche Botschafter in Frankreich, Saeeb Muschbar, wies die Beschuldigungen gestern als „schwerwiegende Lüge“ zurück. Libyen werde die beiden Gesuchten nicht ausliefern.

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