BERICHT(IGUNG): Auch in Zukunft eine tägliche taz aus unserer Werkstatt des Eigensinns
■ Nach dreizehn Jahren selbstverwalteten Arbeitens im taz-Kollektiv heißt die Losung der Stunde, von der wir meinen, daß sie auch die Lösung ist, Genossenschaft
„Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.“ So mahnte in der vergangenen Woche ein Appell unserer LeserInnen — und selten wurde ein Motto so rückhalt- und umstandslos verwirklicht. Am vergangenen Samstag, als unsere LeserInnen mit einer runden Zeitung samt Reisespecial und Literataz sich in den Wintergärten dem Novembersonnenschein ergaben, tagten tazlerinnen und tazler und fällten unentwegt Beschlüsse. Dem Fortsetzungsroman Wie geht es weiter mit der taz? wurde ein vorletztes Kapitel hinzugefügt; wir bericht(ig)en kurz, was bisher geschah:
Es war einmal vor dreizehn Jahren, da entstand — mit Hilfe unzähliger Initiativen, Soli-Spenden und unbeschränkter Hoffnung — eine linke, radikale Tageszeitung. Man gründete sich als Kollektiv, man wollte selbstbestimmt arbeiten, setzte auf finanzielle Unabhängigkeit, Hierarchiefreiheit und den schönen Grundsatz, das Unmögliche sei nur eine Vereinbarung der Gegenwart mit der Mutlosigkeit.
Die tazler- und ihre LeserInnen haben so sehr recht bekommen, daß diese Zeitung nun auf ein Niveau gewachsen ist, das manches schwierig macht: die Selbstbestimmung und die Hierarchiefreiheit, weil eine Zeitung von 200 Leuten für 200.000 LeserInnen kein kleines Kollektiv mehr ist, das alles gemeinsam beschließt, bevor es alles gemeinsam wieder anders macht; den Einheitslohn und die Selbstausbeutung, weil die Lebenshaltungskosten das Überlebensgehalt in einem Maße übersteigen, das selbst bei bestem Willen nicht mehr zu ignorieren ist; die finanzielle Unabhängigkeit, weil keine Zeitung dieser Welt allein von ihren AbonnentInnen leben kann.
So haben wir uns also geändert, und so bleiben wir uns treu: Gemäß einer schönen Sprachregelung, die nicht dem Realsozialismus, sondern dem letzten Jahrhundert zu verdanken ist, werden wir bald Genossinnen und Genossen sein. Bei der Alternative, entweder vom großen Geld (Investor) oder vom Kleingeld abhängig zu werden, haben wir uns für Sie entschieden: Die taz begibt sich in die Hände ihrer LeserInnen.
Wir werden die taz sanieren müssen. Die alternative Gemütlichkeit hat Druckstellen nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Kollektiv hinterlassen. Eine Zeitung, die von 200 Idealisten, Erfindern und Verrückten gemacht wird, kann und will normal nicht werden, aber sie muß überleben können. Dazu sind Entscheidungsstrukturen notwendig, höhere und differenzierte Gehälter, Einbußen in der Selbstverwaltung. Jede große Versammlung ist dümmer als jedes einzelne ihrer Mitglieder, weil ihr kleinster gemeinsamer Nenner das Unumgängliche ist. Und das ist auf Dauer zu wenig. Wir haben uns zum letzten Mal als deutscher Verein versammelt; nach dreizehn munteren und ziemlich erfolgreichen Jahren stimmte das Plenum mit großer Mehrheit für die neue Form der Genossenschaft.
In dieser Genossenschaft taz wird mit Redaktionsstatut, Betriebsrat und Mitarbeiterversammlung das Höchstmaß an Demokratie und Transparenz verwirklicht sein, das realistisch und möglich ist — und zugleich wird die Arbeit effizienter, weil nicht mehr alle über die neue Seite 1 und die Kücheneinrichtung in der Kantine beraten müssen.
Der Prozeß dahin war schwierig, und wir haben Sie davon kaum verschont. Es war und bleibt Eigenart der taz als Projekt der Gegenöffentlichkeit und der alternativen Kultur, daß es bei jedem Schritt den Schatten des Gesamten mit sich führt, daß es die veränderten Bedingungen der neunziger Jahre nicht nur reflektiert, sondern auch von ihnen erfaßt wird. Der Prozeß hin zur Entscheidung für die Genossenschaft war schwierig, weil die taz nicht nur als Zeitung, sondern auch als selbstverwaltetes Projekt gegen die neue Unübersichtlichkeit nicht immun ist, weil sie von alten Hoffnungen ebenso zehrt wie von neuen Ideen lebt.
Die Abwägung, was vom Projekt übernommen werden kann, wenn es die Zeitung taz weiter geben soll, hat Zeit und Redezeit gefordert, Beharrlichkeit ins Ungewisse, oft auch ein Schweben in der Flaute. In dunklen Stunden allerdings war uns — neben den Leserbriefen natürlich — die Einsicht ein gewisser Trost, daß wir das Boot selbst umbauen müssen, in dem wir taztäglich auf Sie zusteuern, die Wirklichkeit durchkreuzend. Weil es sonst niemand für uns tut. Die taz, das größte Kollektiv der Bundesrepublik, konnte von keinem lernen, wie man das Angenehme mit dem Wirtschaftlichen verbindet. Die Losung der Stunde, von der wir meinen, daß sie auch die Lösung ist, heißt Genossenschaft und ist optimistisch und sentimental: weil wir dafür unsere LeserInnen brauchen.
Nach der grundsätzlichen Entscheidung der Mitgliederversammlung, in wessen Hände wir uns begeben, ohne den Kopf dabei zu verlieren, haben wir denselben nun für die notwendige Sanierung frei: Alle drei Bereiche der tageszeitung (Technik, Verwaltung und Redaktion) reorganisieren sich effizient. Das wird in den nächsten zwei, drei Monaten geschehen. Jetzt wurde erst mal ein Strich gezogen: unter das Gewohnte und seine zärtliche Tyrannei.
Die tageszeitung soll und wird es weiter geben — taztäglich und mit möglichst vielen GenossInnen. Von allen zusammen gemacht und erstritten in unserer Werkstatt des Eigensinns. Elke Schmitter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen