Die blaugelbe Revolution

■ Bürgerrechtler der ČSFR in Genschers und Lambsdorffs Fußstapfen

Prag (taz) — Da saßen sie noch immer zusammen. Ladislav Lis, Jaroslav Sabata, Dana Nemcova und all die anderen Unterzeichner und Sprecher der Charta 77. Die „samtenen Revolutionäre“ des tschechoslowakischen Novembers 89, das „gute Gewissen“ einer ganzen Nation. Doch heute, auf den Tag genau fast zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der „Herrschaft des Unrechts“, will die gleiche Nation ihre Stimmen nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Sicher, viele von ihnen sind zu Staatsangestellten, Parlamentsabgeordneten, Ministern geworden. Ihre Bewegung jedoch, die unbekannte Nachfolgerin des bereits legendären „Bürgerforums“, die „Bürgerbewegung“, kann auf ganze 6 Prozent der Wählerstimmen zählen.

Doch noch geben sie sich nicht geschlagen. Auf dem „1. Regulären Parteitag“ seit der Gründung Ende April 91, unter einer überdimensionalen blaugelben Kornblume, dem frisch entworfenen Emblem, preist Außenminister Jiri Dienstbier die neuen Farben seiner Partei. „Blau“, das sei die Farbe der dauerhaften Werte, „gelb“ die der Zukunft. Sie treibe die Partei voran zur Erfüllung ihrer Ambitionen.

Für viele im Saal lag eine ganz andere Assoziation nahe. Mit der Kopie der Farben der FDP buhlt die Bürgerbewegung um die Gunst der Liberalen, nur zu gern sieht sich Dienstbier in der Rolle Hans-Dietrich Genschers. Die Bürgerbewegung müßte an ihren Namen die Bezeichnung „Liberales Forum“ anhängen, Mitglied in der Liberalen Internationale wolle man werden, wurde gefordert. Doch die Bewegung zeigte sich widerspenstig. Der neue Name wurde abgelehnt, sechs Monate vor den Parlamentswahlen könne man diesen niemandem verständlich machen. In die Liberale Internationale würde man zwar eintreten, was diese aber so genau sei, das wisse man nicht. Vehement forderten die Delegierten erneut die Abrechnung mit den Kommunisten, kritisierten, daß ihre Parlamentsabgeordneten oft gemeinsam mit diesen stimmen.

So mußte der sonst stets nur verschmitzt lächelnde Dienstbier schon kämpferisch werden, um die Partei auf seine poltische Linie auszurichten. Doch der Aufruf zum Kampf war — wie könnte es in einem Land der Reformatoren anders sein — stets mit einem guten Stück Moral verbunden. Zwar sei man für die schnelle Einführung der Privatwirtschaft — schnelle Gewinne durch „schmutzige Methoden“ müßten jedoch verhindert werden. Die Chartisten wollen die Quadratur des Kreises: „Kapitalismus ja — Egoismus nein.“ Sabine Herre