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Vukovar von Serben eingekesselt

■ Kroatische Verteidiger haben Verhandlungen über Kapitulation aufgenommen / Fällt die Stadt?

Belgrad (afp/taz) — Einen Tag nach Ausrufung des 13. Waffenstillstands in Kroatien stand am Sonntag offenbar der Fall der seit fast drei Monaten belagerten ostslawonischen Stadt Vukovar, Symbol des kroatischen Widerstands, kurz bevor. Die Belgrader Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ berichtete, eine Gruppe kroatischer Verteidiger wolle sich ergeben und hätten der jugoslawischen Armee Verhandlungen über die Kapitulation angeboten. Nach Berichten aus Belgrad hätte die Armee dies jedoch abgelehnt und eine „sofortige und bedingungslose Kapitulation“ gefordert. Journalisten berichteten aus der umkämpften Stadt, Vukovar werde noch am Sonntag in die Hände der Serben fallen. Offenbar hielt sich die Bundesarmee zurück, während die serbischen Freischärler von Goran Hadzic, die den letzten Waffenstillstand, der am Samstag um 18 Uhr in Kraft getreten war, abgelehnt hatten, erneut angriffen und sich Haus für Haus vorkämpften. Viele der 10.000 noch in der Stadt verbliebenen Zivilisten hätten Angst vor einem Massaker. Der Kommandeur der kroatischen Streitkräfte in Vukovar, Marin Vidic-Bili, richtete einen Hilfsappell an Bundeskanzler Helmut Kohl und US-Präsident Bush, in dem er ausgehend von dem Fall Vukovars vor Grenzveränderungen in Europa warnte, die den Kontinent in einen blutigen Konflikt stürzen könnten.

Un-Truppen in Kroatien?

Kroatien und die Bundesarmee beschuldigten sich am Sonntag gegenseitig, die Waffenruhe zu brechen. Die strikte Einhaltung der Waffenruhe ist aber Bedingung für den Einsatz einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen in dem Bürgerkriegsgebiet. Unterdessen wurde der UN-Sondergesandte Cyrus Vance in Jugoslawien erwartet, um die Bedingungen für die Stationierung von UN-Blauhelmen zu sondieren. Am Wochenende hatte das ehemalige jugoslawische Staatsoberhaupt, Mesic, signalisiert, daß Kroatien die Blauhelme auch auf kroatischem Gebiet stationieren lassen würde. Bisher war die kroatische Position, die UN-Truppen müßten an den Grenzen stationiert werden. Der EG-Verhandlungsleiter Lord Carrington erklärte in diesem Zusammenhang, der Einsatz der UN-Truppen dürfte nicht einer Teilung Kroatiens Vorschub leisten. UN-Generalsekrezär Perez de Cuellar bezifferte die Kosten eines Einsatzes der Blauhelme auf 200 Millionen Dollar.

Die jugoslawische Luftwaffe attackierte am Samstag nach einem von 'Tanjug‘ veröffentlichten Militärkommunique zufolge mehrere kroatische Stellungen, die „erneut den Waffenstillstand benutzt“ hätten, „um die Armee anzugreifen“. Die Luftwaffe habe Angriffe in der Region Sid, Vinkovci, Vrpolje, Zupanja, Morovic geflogen und ein Kommandozentrum, Munitionslager und 34 Eisenbahnwagen mit militärischer Ausrüstung zerstört, hieß es in dem Kommunique. Das Zentrum Osijeks und die Orte Brest und Vurot bei Sisak wurden mit Artillerie angegriffen, ebenso der Ort Vrana bei der Küstenstadt Zadar und die südlich von Zagreb gelegene Stadt Gospic.

Zwischen Kroatien und der Republik Bosnien-Herzegowina wurde unterdessen eine 900 Meter lange Brücke über dem Sava-Fluß in die Luft gesprengt. Die Brücke wurde während eines Luftangriffs der jugoslawischen Luftwaffe auf kroatische Stützpunkte in der 110 Kilometer westlich von Belgrad gelegenen Region zerstört. Unklar ist allerdings, ob die Luftwaffe oder die Kroaten die Brücke gesprengt haben. In Dubrovnik wurden die Vororte Sveti Jakov und Zlatni Potok beschossen. Mit Ausnahme von Rijeka und Pula im Norden waren die kroatischen Häfen von der Bundesmarine blockiert.

In der Nacht zum Samstag trafen etwa 3.500 Flüchtlinge aus der belagerten kroatischen Küstenstadt Dubrovnik mit dem Fährschiff „Slavija“, das Dubrovnik am Donnerstag verlassen hatte, im Hafen von Pula ein. Zunächst wurden etwa 2.500 Personen in dem bislang vom Krieg verschonten istrischen Touristenzentrum untergebracht.

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