: V1, Bierdeckel, Weserkurier: Fuchs muß ran!
■ BREMER EINFALLSPINSEL, Teil 4: Heinz Fuchs / Neue Folge über die serienreife Bremer Zeichner- und Karikaturisten-Szene
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Porträt Mann
mit Brille
und Oberlippenbart
Heinz Fuchs, strichweise heiter und ganz unbestritten der Bremissimo unter den hiesigen Karikaturisten Foto: Tristan Vankann
Wenn ein Bremer Restaurant vollbesetzt ist, dann sieht das bei Heinz Fuchs so aus: An jedem Tisch ein Raucher mit einem Glas Bier vor sich, die Nase hoch, die Augen fest geschlossen, Ausbünde an Blasiertheit und Unnahbarkeit. Die Überschrift: „Resturant“. Ein typischer Fuchs, die Zeichnung ist dreißig Jahre alt, sie führt in ein „kleines Bremer Skizzenbuch“ ein, Titel „Strichweise heiter“.
Heinz Fuchs, verkörperte Bremensie, der Bremischste unter den Bremer Karikaturisten, ist fast 72 Jahre alt, hat nach eigenen Schätzungen 90.000 Zeichnungen gemacht, die meisten im Dienste der „Bremer Nachrich
ten“, bis zu deren Pleite, dann für den „Weserkurier“/BN. Seit vierzig Jahren setzt Fuchs seinen „heiteren Strich“, seine augenzwinkernden Betrachtungen lokaler Ereignisse und Idyllen, seine zahllosen Löckchen, Schnörkel, liebenswerten Überzeichnungen ein, um den Bremer, die Bremerin zu — ja, was? Zu konservieren? Zu beschwören? Zu erfinden, indem das Klischee bedient wird?
In seiner kleinen Wohnung dicht beim Weserstadion hängen ein paar Aquarellchen an der Wand. Eine Ansicht von Stade, eine Landschaft, ein Stilleben. Der Künstler: Heinz Fuchs. „Ich glaube nicht, daß ich riesig begabt
BREMER EINFALLSPINSEL
-eine taz-Serie über Bremer Zeichner und Karikaturisten. Wer verdient hier mit gezeichneten Witzen und schrägen Einfällen sein Geld? Sind das alles Scherzkekse? Auf wessen Kosten wird gelacht? Wo kommt der Einfall her? Bisher erschienen: Harm Bengen (15.10.), Buzz Bütow (24.10) und Nils Fliegner (6.11.)
bin für Kunstmalerei,“ sagt er beschwichtigend. „Ich wollte immer nur zeichnen.“
Für die Legende gibt's verschiedenen Versionen. Bitte auswählen! Der Zeichner behauptet, schon der Säugling habe eine Feder hinterm Ohr gehabt. Oder so: Im „kriegswichtigen Betrieb“ seines Onkels — das Konstruktionsbüro beschäftigte sich u.a. mit Details der V1-Rakete — habe sich Zeichnerqualität gezeigt.
Oder die Schürzenjäger-Version? Schöne Mädels spazierten nach Kriegsende in die Überreste der Kunstschule am Wandrahm, Heinz mit seinem Beutel voll Schwarzmarktsachen gleich hinterher. „Nach dem Verbrauch von etwa 200 Bleistiften und fünf Studentinnen innerhalb acht Semestern erhob mein Lehrer Willy Menz, seine Stimme und den Zeigefinger und sprach: 'Fuchs, ernsthafte Arbeit ist anscheinend nichts für Sie, werden Sie man Karikaturist!'“ (O-Ton Fuchs).
Der nunmehr gelernte Werbegrafiker strich zwar mal ein paar Wände an, aber schon 1949 erhielt er von der „Nordsee-Zeitung“ die ersten Karikaturaufträge für immerhin 20 Mark das Stück; bis '53 zeichnete er als „Freier“ für die „Bremer Nachrichten“, dann stellte man ihn als Redakteur ein. Er war zuständig für Eigenwerbung der Zeitung, schrieb auch mal Kolumnen, konnte hin und wieder sein bis heute schlummerndes Fotographen-Talent anbringen, Fuchs illustrierte und karikierte.
Auf der Sport- und Kinderseite fand man seine Zeichnungen, er versah — das kennt man heute gar
nicht mehr — die Leserbriefseite seinerseits mit Kommentaren. Und — beim „Weserkurier“ kommt sowas bekanntlich nicht vor — Fuchs zeichnete für die „BN“ politische Karikaturen. Wie die Rüstungsbonzen, die auf dem Geschützrohr eines Panzers hocken und sich vom Deutschen Michel den „Ast nicht absägen lassen“, auf dem sie sitzen.
Eine anständige Karriere für einen, der als Kind im Sommer aus Kostengründen barfuß laufen mußte. Dessen Mutter, Modistin und Schneiderin, ihn weitgehend allein aufzog. Doch der feste Vertrag mit einer Zeitung hatte auch eine Kehrseite: per „Exklusivvertrag“ war ihm untersagt, für andere Zeitungen zu arbeiten. So kam Fuchs über Bremen und seine Erbaulichkeiten nicht hinaus.
„Mir reichte das an Arbeit“, sagt er heute. 12 Stunden am Tag waren in den Sechzigern, die Regel; für Sonnabend-Arbeit gab's mal ein „Schulterklopfen vom Chef“: „Es war eine Ehre, für Schünemann arbeiten zu dürfen“.
Na und denn wollte hier die SPD mal was, dort ein Bierbrauer
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die Rüstungs-
karikatur
für die Rückseite der Bierdeckel, für die Bürgerschaft waren „Kaiser-Anekdoten“ zu illustrieren, und immer, wenn eine furztrockene Fibel ansehnlich werden sollte, mußte Fuchs ran: für die AOK, für eine Bürgerschafts- Führer, für die Hausordung der „Roland-Klinik“. Bis hin zur Werbung für gewisse Etablissements: Der Fuchs macht alles. Auf Pappe meist, DIN A4 bis 5, mit Filzstift, da kennt er nichts.
Heute hat er seine Rente und ist „frei“, arbeitet drei Stunden am Tag im „Pressehaus“ in der Martinistrasse, wo er bis vor kurzem noch ein eigenes Büro hatte. Ist am liebsten unter Leuten, treibt sich nach wie vor im Schnoor, auf dem Markt, auf dem Freimarkt rum, wo er seine Ideen findet. Trinkt und ißt gern, macht am Sonntagmorgen seinen Frühschoppen in der „Uhr“ und ist „kein Kind von Traurigkeit“. Aber: „Wenn ich wieder auf die Welt komme, will ich einen risikolosen Beruf: Arzt, Beamter, Politiker.“ Sagt er, man kann es kaum glauben. „Wenn ich Mist baue und es bestellen 300 Leute
ab, schmeißt mich der WK raus!“
Die Archivierung der Zeichnungen von Heinz Fuchs — man kann in seinem Alter schon mal darüber nachdenken — befindet sich in einem rudimentären Vorstadium: alles in Plastiktüten gestopft, auf verschiedene Standorte verteilt. Wozu aufgehoben? „Ich weiß es nicht. Ich könnte sie auch wegschmeißen.“ Er weiß: sein Zeug zu sortieren wäre eine Mordsarbeit. Andererseits handelt es sich um eine gar nicht zu überschätzende Bremensie: Vierzig Bremer Jahre im Fuchs-Spiegel!
Apropos unser Bremer Fuchs: Heinz Fuchs ist ausweislich seiner Papiere Franzose. Ehrlich! Sein Vater war Elsässer, Fuchs fand es nie nötig, die hiesige Staatsbürgerschaft anzustreben. Und noch ein Manta-Witz gefällig? Fuchs ist seit 1982 Mantafahrer! Der weiße ist schon sein zweiter. „Alle Spoiler, hinten mit Schwänzchen.“ Einen Mantawitz hat Fuchs noch nicht gezeichnet. „Nachkauen mach' ich nicht gerne — ich erfinde lieber Eigenes.“ Burkhard Straßmann
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