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Unsere Heidi Kabel, die Unvergleichliche!

■ taz-Gespräch mit Heidi Kabel: „Ich bin Null-acht-fünfzehn und langweilig!“ — „Also, es ist immer schön, was ich spiele!“

taz: Wissen Sie eigentlich, die wievielte Rolle Sie heute abend spielen?

Heidi Kabel: Nein. Wissen Sie, ich stehe jetzt 59 Jahre im Ohnsorg- Theater auf der Bühne. Wir hatten früher alle 14 Tage Premiere, dann alle vier Wochen, jetzt einmal im Jahr. Aber insgesamt weiß ich das nicht.

In diesen fast 60 Jahren hat es sicher einen Wandel gegeben in den Stücken, die Sie spielen...

Schon altersmäßig. Man fängt an als jugendliche Naive, dann kommt die lustige Naive, dann die Charakterrollen, die Mütter, und jetzt habe ich das Alter der Oma erreicht. Der Anfang ist immer stinklangweilig, aber jetzt im Alter kann ich mir aussuchen, was ich spielen will - also ist es immer schön, was ich spiele.

Gab es Charaktere, die Sie mochten, die aber im Lauf der Zeit herausgefallen sind?

Das Rollenfach bleibt eigentlich immer das gleiche. In den Stücken muß ein Liebespaar drin sein, es muß ein älteres Paar drin sein, ein paar Gegenspieler — und es entwickelt sich ganz von selbst.

Fällt der Begriff 'Heidi Kabel', denkt man an „bodenständig“. Was verbinden Sie damit?

Ich bin ein ganz normaler Mensch, Null-acht-fünfzehn und langweilig. Ich empfinde das, was ich mache, als etwas ganz Natürliches. Vielleicht empfinden die Leute als bodenständig, daß ich rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Auch im Alter. Ich hab' mit Ilse Werner neulich darüber gesprochen — sie ist der gleichen Ansicht. Und die redet ja auch, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Also die ist dann auch sehr bodenständig.

Es gibt ja sicherlich so etwas wie eine 'Scene' der alten Garde der VolksschauspielerInnen — Heidi Kabel, Inge Meysel, Willi Millowitsch... Sie arbeiten seit Jahrzehnten nebeneinander und manchmal miteinander. Wie ist das Verhältnis untereinander?

Toll. Also, in Hamburg wohnt auch Ilse Werner, und wir verstehen uns großartig.Mit Millowitschens bin ich sehr befreundet, vor allem mit ihr. Das sind Freunde, die man auch hat, wenn's einem mal nicht so gut geht. Na ja, und in Bayern hab ich gedreht mit Erni Singerl, und ich muß sagen, das ist auch eine sehr gute Freundschaft. Uns werden meistens die gleichen Stücke zum Spielen angeboten — und dann sagen wir uns gegenseitig: Och Gott, das hab ich schon vor zehn Jahren gehabt, und so weiter...

Keine Konkurrenz und Eitelkeiten?

Wir haben alle die gleichen Fächer. Auch Frau Meysel kenne ich nur als sehr, sehr nette und gute Kollegin. Vielleicht wird sie manchmal dumme Sachen gefragt — es gibt ja Reporter, die fragen so widerliche, so schreckliche Sachen, da wird sie auch mal böse, das kann ich verstehen.

In ihren Stücken soll sich das Kleinbürgertum wiederfinden. Hat sich Ihrer Meinung nach „das Deutsche“ verändert? Wird es in zehn Jahren noch den Gatten geben, der sich in Pantoffeln und bei Salzgebäck und Bier Ihre Stücke im Fernsehen anguckt?

Da können Sie in jedes Land gehen, das ist überall das gleiche. Man denkt immer nur „das Deutsche“ — aber Kleinbürgertum gibt's überall. Gehen Sie mal nach Amerika, wie da das Bürgertum ist, da schlackern Sie aber mit den Ohren.

Das Volksstück erneuert sich durch die Menschen. Es wird zwar immer etwas niedrig gehalten, aber es ist immer gut besucht. Zugeben will es keiner, aber hingehen tun sie alle.

Mit diesem Phänomen macht MacDonalds ja fleißig Werbung. Wie sieht es mit Nachwuchs aus?

An unserem Theater hapert es damit nicht. Junge Männer, die sind knapp. So richtige Männer. Junge Mädchen finden wir genügend.

Was sind denn richtige Männer?

Ja, so Männer, wie sie sein sollen. Die so 'ne Freundin haben. Und sie sollen später mal heiraten, aber es gibt eben auch welche, die das nicht tun. Wenn Sie in ein Theaterstück gehen, und da sind drei Homosexuelle auf der Bühne, das spüren Sie. Ich habe nichts gegen Homosexuelle - meine besten Freunde sind es. Auf die kann ich mich auch 100prozentig verlassen. Nur in diesem Fall, wo sie Bauernburschen spielen müssen und Naturburschen, da ist das nicht angebracht.

Wie haben Sie sich in der Show von Hella von Sinnen gefühlt?

Also, ich hatte erst Bedenken, dann dachte ich mir — mal sehen... Aber die waren so zauberhaft zu mir, auch während der Sendung — das hat Spaß gemacht. Wem's nicht gefällt, der kann ja den Fernseher abschalten — was ich zum Beispiel nicht gerne sehe, sind diese erotischen deutschen Filme von früher. Gott, und wer hat da alles mitgemacht! Sowas hätte ich nicht gemacht, aber man dreht ja szenenweise und weiß gar nicht, wie Anfang und Ende sind — und rumms, saß man da drin. Ich kann mir vorstellen, daß das so manchen passiert ist.

Können Sie über Frau Jaschke aus der Schmidt-Mitternachtsshow lachen?

Wie ich sie zuerst gesehen habe, habe ich sehr über sie gelacht. Sie ist toll — aber in der Wiederholung wird es etwas langweilig. Aber dieses Norddeutsche und Tutige in ihrem ganzen Gehabe — da habe ich schon sehr gelacht. Fragen: Susanne Kaiser

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