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Rare Glücksmomente

■ Abdullah Ibrahim & Ekaya heute in der Passionskirche

Diese kalten Dienstag-November-Nächte im New York der frühen achtziger Jahre, die gehörten ausschließlich uns. Wir kannten uns alle nur beim Vornamen. Alter, Geschlecht, Beruf, Hautfarbe waren uninteressant. Nach einer Weile begrüßten wir uns als »Familienmitglieder«. An diesen Dienstagen fanden wir im Kreis der »loving family« innere Ruhe, Geborgenheit, erhaschten einen raren Fetzen Glück.

Wir kamen am Tresen des Jazzklubs »Sweet Basil« im West Village zusammen, um bei der Musik von Abdullah Ibrahim und Ekaya für Momente bessere Welt zu leben. Abdullah (vormals »Dollar Brand«) und seine Musiker waren unsere Priester. »Ekaya« ist gleichbedeutend mit »Zuhause«, »Heimat«. Als Abdullah aufschnappte, was seine Musik unter uns bewirkte, gab er seiner Band den Beinamen »The Loving Family«.

Wie kein anderer verschmilzt der Arrangeur, Komponist und Pianist Abdullah Ibrahim die uralten Musikstile seiner südafrikanischen Heimat — Zulu-Gesänge, »oral history«, die »heiligen« Überlieferungen der Stammesältesten — mit den schwarz- amerikanischen Musiktraditionen seiner Wahlheimat: Gospel, Spiritual, dem Blues des Südens, dem Jazz der Metropolen. Aus dem Zusammenhang seines fast klassisch-streng gespielten Klaviers mit den Jazzhörnern Tenor-, Bariton-, Altsaxophon und Posaune, der Rhythmus-Einheit Baß und Schlagzeug wächst Gemeinde-Gefühl. Denn Abdullah Ibrahim, der sich wie viele Jazzmusiker in den siebziger Jahren zum Islam bekannte, »glaubt nicht an Gigs, sondern an das Zusammenkommen der Menschen zu einem größeren Zweck. Unsere Musik soll ein Gefühl der Einheit erzeugen. Uns bewegt die afrikanische Idee der erweiterten Familie.«

Ibrahim ist wie seine Frau, die Sängerin Sathima Bea Benjamin, ANC- Mitgleid. »Wir stellen unser Talent in den Dienst des Afrikanischen Nationalkongresses — wo immer und wie immer er es gebrauchen kann. Man will uns weismachen, daß der Kampf zwischen Schwarz und Weiß verläuft; tatsächlich ist es ein Kampf mit dir selbst. Es geht darum, ein besserer Mensch zu werden!« Ibrahim verabreicht Seelenmusik mit politischer Botschaft. Seine Konzerte sind Katharsis, erwecken Hoffnung und Bitternis, Trauer und Freude.

Abdullah Ibrahim wurde vor gut 50 Jahren als Adolph Johannes Brand in Cape Town/Südafrika geboren. Die Küstenstadt mit ihren afrikanischen, indischen, malayischen und japanischen Einflüssen prägte ihn. Auf dem Piano seiner Großmutter, Mitglied der Baptistengemeinde, übte er den »A-Train«, entdeckte Thelonius Monk und entwickelte alsbald einen eigenen Piano-Stil mit dem legendären Altsaxophonspieler Kippie Meketsi. 1962 begann sein »taktischer Rückzug« aus dem Apartheidstaat. Er ging nach Europa, wurde von Duke Ellington entdeckt, trat als »Dollar Brand« auf. »Dollar« deshalb, weil er als Junge immer in den Hafen gelaufen war, um für harte Dollar die neuesten Jazz-Platten zu kaufen. 1976 ließ er sich in New York nieder, wohnt dort im sagenumworbenen Chelsea Hotel. Nach der Freilassung Nelson Mandelas kehrte er erstmals nach Südafrika zurück.

Mit seiner gefeierten Heimkehr ist er immer öfter am Kap zu hören, in guter Hoffnung. New Yorker »Zuhause« für ihn und seine Band Ekaya ist der Jazzklub »Sweet Basil« geblieben. In Berlin ist er leider nur an diesem Dienstag abend zu hören. Um 20 Uhr in der Passionskirche, veranstaltet von der Anti-Apartheid-Bewegung. Ute Büsing

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