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ES GIBT TAGE, DIE MAN IM BETT VERBRINGEN SOLLTE Von Ralf Sotscheck

Eigentlich wollte ich bei „Eason's“ in der Dubliner Innenstadt lediglich ein Buch kaufen. Soweit ging auch alles gut. Doch als ich aus dem Laden kam, machten sich gerade zwei Männer in Overalls am Vorderreifen meines Autos zu schaffen. Ich hatte auf einer doppelten gelben Linie geparkt. Eine einfache Linie bedeutet: Hier darf man auf keinen Fall parken. Zwei Linien: Hier darf man auf gar keinen Fall parken.

Meine Verhandlungsversuche machten keinen Eindruck — die beiden Männer ignorierten mich schlicht und begannen, auch an den Hinterreifen Seile zu befestigen. Da ich von einem Leidensgenossen gehört hatte, daß nur leere Autos auf den Abschleppwagen gehievt werden dürfen, setzte ich mich ins Auto und verriegelte die Tür von innen.

Inzwischen hatte sich eine Menschenmenge angesammelt, darunter ein Reporter des Abendblatts, der mir unbedingt ein paar unflätige Bemerkungen entlocken wollte. Ich widerstand der Versuchung. Die Menge, die mittlerweile den Verkehr zum Erliegen gebracht hatte, war eindeutig auf meiner Seite, da IrInnen rote Ampeln und Parkverbotsschilder als Provokation empfinden. „Die Arschlöcher kriegen eine Kommission, wenn sie Falschparker schnappen“, meinte einer. „Deshalb spezialisieren sie sich auf Kleinwagen, weil zwei davon auf den LKW passen.“

Nachdem die beiden Herren an allen vier Rädern Seile befestigt hatten, forderten sie mich auf, auszusteigen — andernfalls würden sie mich verhaften. Mein höhnisches Gelächter blieb mir im Hals stecken, als unter den Overalls Polizeiuniformen zum Vorschein kamen. Gleichzeitig traf Verstärkung ein: Vier weitere Beamte, die den Menschenauflauf offenbar als Bedrohung der öffentlichen Ordnung einschätzten. Der Augenblick des Nachgebens schien mir gekommen. Ich erklärte dem Oberbeamten, daß ich lediglich wissen wollte, wohin mein Auto verschleppt werden würde, seine Kollegen mich jedoch ignoriert hätten. Er zeigte sich auskunftsfreudiger: „Zum Depot hinter der Kathedrale.“

Der Zähler des Taxis hatte fast die Schmerzgrenze erreicht, nachdem ich zu Hause zunächst Geld für die zu erwartende Strafe abgeholt hatte und dann zur Kathedrale gefahren war. Dort stellte sich heraus, daß das Depot zwei Jahre zuvor ans andere Ende der Stadt verlegt worden war. Zum Glück war das Taxi noch nicht weg.

Der Beamte hinter dem Schreibtisch in dem ungeheizten Holzverschlag war offenbar bestens über die Vorgänge informiert und hatte schlechte Laune. Ich auch, nachdem ich feststellen mußte, daß ich das Buch — mit dem alles angefangen hatte — im Taxi vergessen hatte. „Zeigen sie mir ihren Paß“, sagte der Schrecken aller Parksünder. Der lag natürlich zu Hause. „Dann fahren sie zurück und holen ihn.“ Ich verlegte mich sofort auf ein Gespräch von Mensch zu Mensch. Das ging ihm schon bald auf die Nerven: Er strich das Bußgeld ein, warf mir die Autoschlüssel hin und wünschte mir sogar eine gute Heimfahrt.

Das stellte sich jedoch nach fünf Kilometern als purer Sarkasmus heraus. Die Kiste blieb stehen — natürlich auf einer gelben Linie. Motor überhitzt. Der Wasserschlauch für die Kühlung war mit einem sauberen Schnitt durchtrennt worden. Glücklicherweise war die Telefonzelle, von der ich ein Taxi rief, nur 400 Meter entfernt. Als ich zum Auto zurückkam, machten sich gerade zwei Männer in Overalls am Vorderreifen zu schaffen.

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