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Coole Gurke schlägt Schildkappe

ATP-Weltmeisterschaft: In einem Klassefinale schlug Pete Sampras seinen Freund und Landsmann Jim Courier in vier Sätzen mit 3:6, 7:6, 6:3, 6:4 und fand danach alles ausgesprochen „great“  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — „Cool wie eine Gurke“ habe der Newcomer Pete Sampras aus Florida gespielt, meinte John McEnroe, nachdem der US-Boy im vergangenen Jahr in Flushing Meadow seinen ersten Grand-Slam-Titel gewonnen hatte. „Cool wie eine Gurke“ spielte Pete Sampras auch am Sonntag im Finale der ATP-Weltmeisterschaft 1991 gegen seinen „Freund“ Jimmy Courier. Zuvor hatte der Rechtshänder und Freizeitgärtner die Topstars Andre Agassi, Michael Stich und — im Halbfinale — Ivan Lendl weggeputzt: Flushing-Meadow-Feeling. Schließlich waren die US-Boys bei diesen Titelkämpfen am Ende (fast) unter sich. „Young Americans are naturally friends“ (Courier) — auch wenn sie sich auf dem Court mit „Bomben“ (Courier) bekämpfen. Die Überraschungsfinalisten Sampras und Courier jedenfalls schenkten sich nichts, spielten phasenweise grandioses Tennis und begeisterten so die rund 9.000 Fans in der Festhalle auf dem Messegelände.

Nach einem Sieg von „Little Pete“ sah es im ersten Satz der Partie wahrlich nicht aus. Da kamen die „Bomben“ des Mannes, der in diesem Jahr exakt 496 Asse auf die Courts dieser Welt wuchtete. Ein konzentriert spielender Jimmy Courier returnierte brillant — und am Ende stand es 6:3 für den Mann mit der Baseball-Schildkappe. Courier: „Die Mütze ist mein Glücksbringer — und meine Schweißbremse.“ Und die hatte Courier im zweiten Satz bitter nötig. Da standen die Zuschauer, die sich im ersten Satz noch neutral verhalten hatten, voll hinter Sampras. Schließlich wollte man an diesem Abend nicht schon nach drei Sätzen nach Hause gehen. Mit dem Beifall der Massen im Rücken konnte Sampras den immer forscher ans Netz stürmenden Courier, der auf eine Entscheidung drängte, in Schach halten. Im Tie-Break zog „Litte Pete“ dann auf 5:1 Punkte davon, doch Courier kämpfte wie ein Löwe und kam bis auf 6:5 wieder an Sampras heran, dem die Nerven flatterten. Als Courier dann nach dieser kräfteraubenden Aufholjagd seinen Return neben das Spielfeld schlug, war eine Vorentscheidung gefallen: Satzausgleich.

So ging Sampras gestärkt aus dem nervenzerfetzenden Tie-Break hervor, breakte Courier schon im dritten Spiel des dritten Satzes und setzte im sechsten Spiel noch einen drauf: 6:3 — und Courier wirkte erstmals tatsächlich „so tired“.

Daß der vierte Satz der spannendste und schönste des gesamten Turniers wurde, lag daran, daß sich der müde Courier noch einmal aufrappelte und Sampras einen agassi-mäßigen „Dogfight“ lieferte. Am Ende siegte der Glücklichere — und das war an diesem Abend Pete Sampras. Da half es auch nichts mehr, daß Courier nach dem entscheidenden Break der „coolen Gurke“ höheren Beistand erflehte: „My God!“ Nach einem kaum glaublichen Netzspiel lag der naßgeschwitze Florida-Mann flach auf dem Court — vor Bewunderung für seinen Gegner und vor Enttäuschung. Mit 6:4 ging der letzte Satz dieser bemerkenswerten Partie an Sampras. „Ich pack jetzt meine Kohle zusammen und fliege an den Strand.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Jimmy Courier von den begeisterten Zuschauern, die dem Loser stehend Ovationen darbrachten. Courier: „Das war eine großartige Woche für mich.“ Daß die Menge ihn feierte, führte die Nummer zwei der Weltrangliste grinsend darauf zurück, „daß ich das Glück hatte, keinen Deutschen aus dem Turnier werfen zu müssen“.

Und Pete Sampras? Der ist um 1,66 Millionen Dollar reicher und zog in der Rangliste an Guy Forget vorbei auf die sechste Position. „Great“ sei das Match gewesen, stammelte Pete ins Mikrophon. „Great“ habe Courier gefightet — und „great“ sei sein eigenes Spiel gewesen. Mit dieser sprachlichen Leistung knüpfte Sampras dort an, wo er nach seinem Sieg bei den US-Open 1990 stehengeblieben war. Damals hatte er seinen Triumph knapp mit einem langezogenen „Äähhm“ kommentiert. In der Kaiserstadt Frankfurt jedenfalls wurde „ein neuer Kaiser gekrönt“, wie der Vertreter des Hauptsponsors IBM anmerkte. Da verbeugte sich mitten im Glitzerkonfetti, das von der Kuppel der Festhalle auf den Court schneite, auch die aus Stockholm eingeflogene, verletzte Nummer eins der Weltrangliste, Stefan Edberg. Der Schwede durfte als „Trostpreis“ einen diamantenen Tennisball mit ins Land der Elche und des Knäckebrots nehmen. Wert: 100.000 Deutsche Mark.

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