MIT DEN SOZIALTÖPFEN AUF DU UND DU
: Riesenlöcher in den Kassen

■ Talfahrt der Versicherungsträger durch Einheit

Frankfurt (dpa/taz) — Den Sozialversicherungen steht nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank eine bislang beispiellose finanzielle Talfahrt bevor. Auf Grund der deutschen Vereinigung müßten die Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung im kommenden Jahr mit einem Defizit von rund 20 Mrd. Mark rechnen. Die für dieses Jahr erwarteten Überschüsse von etwa 15 Mrd. Mark werden nicht reichen, das Loch zu stopfen.

Die Bundesbank geht in ihrem jüngsten Monatsbericht davon aus, daß zum Ausgleich dieser Fehlbeträge die Rentenversicherungsbeiträge voraussichtlich 1994, die der Krankenversicherung schon 1993 angehoben werden müssen. Den Pferdefuß sieht die Bundesbank in der Gefahr, daß dadurch das wirtschaftliche Wachstum sowie die Finanzierungsbasis für sozialpolitische Leistungen insgesamt geschwächt wird. Das für 1992 vorausgesagte Defizit bei den Sozialversicherungsträgern dürfte das höchste seit Bestehen der Bundesrepublik werden: Ein Loch in dieser Größenordnung, so die Banker, sei zuvor „weder absolut noch mit 0,6 Prozent in Relation zum Bruttosozialprodukt zu verzeichnen“ gewesen. Besonders tief in den roten Zahlen wird die Rentenversicherung versinken, deren Bilanz sich binnen Jahresfrist allein um rund 20 Mrd. Mark verschlechtern dürfte. Ebenfalls tief ins Minus gerät die Bundesanstalt für Arbeit. 1991 noch mit rund fünf Mrd. Mark im Plus, muß sie 1992 einen Fehlbetrag von mehr als fünf Mrd. Mark einkalkulieren. Ihren diesjährigen Einnahmen von fünf Mrd. Mark aus Ostdeutschland stehen Ausgaben von 30 Mrd. Mark gegenüber. Dieses Defizit von 25 Mrd. Mark müsse „durch Beitragseinnahmen aus dem Westen finanziert werden“. Ob dies bei der geplanten Senkung der Beiträge geht, ist zu bezweifeln. Der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die bereits 1991 mit rund fünf Mrd. Mark im Westen in der Kreide stehen wird, prognostizieren die Bundesbank-Experten ein noch weit größeres Defizit. Der Grund: die erneute Kostenexpansion im Gesundheitswesen, die bei den gesetzlichen Krankenkassen im ersten Halbjahr 1991 bereits zu 11,5 Prozent höheren Aufwendungen geführt hat. In Ostdeutschland wird die GKV 1991 und 1992 wegen des dort niedrigeren Kostenstandards möglicherweise noch ohne Pleite über die Runden kommen. Die defizitäre Entwicklung in den Sozialversicherungs-Kassen führt die Bundesbank ausdrücklich auf den „Prozeß der deutschen Vereinigung“ zurück. So verbuchten Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung 1989 zusammen einen Überschuß von 13 Mrd. Mark, 1990 sogar von 16 Mrd.