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Erster Warnstreik der Stahlarbeiter

■ Klöcknerhütte war von 6 bis 9 Uhr dicht / Die Hälfte der Frühschicht mitbeteiligt

Mit Fäustlingen, wärmenden Kohleöfen und einheizender Rockband organisierten IG-MetallerInnen gestern im Klöckner-Werk den bundesweit ersten Warnstreik in der diesjährigen Tarifrunde. Das Verwaltungsgebäude, den „Glaspalast“ zierte ein hintersinniges Transparent: „Ohne Kohle kein Stahl“. Zwischen 6 und 9 Uhr war das Werk für die rund 2.000 Beschäftigten der Frühschicht gesperrt. Die eine Hälfte der Frühschicht war wie gewohnt früh aufgestanden und beteiligte sich aktiv und fröstelnd am Warnstreik, die andere Hälfte der Frühschicht zog es vor, auszuschlafen und erst gegen neun Uhr an einem der Werkstore zu erscheinen. Betriebsrat Harry Becker in der Menschentraube vor der lautstarken Open-Air-Bühne: „Das ist ein absoluter Erfolg für uns. Denn nicht ein einziger Kollege hat heute morgen versucht, ins Werk reinzukommen und zu arbeiten.“ Abdo Senol, Vorarbeiter im Reserveteillager, ist anderer Ansicht: „Ich bin selber enttäuscht von der Beteiligung. Aber die Kollegen haben die Nase voll von der letzten Verhandlungsrunde.“ Außer in Bremen wurde gestern noch in Salzgitter warngestreikt. Die Stahlarbeiter im Ruhrgebiet bei Krupp, Thyssen und Hoesch wollen am 26. November ihre Werkstore dicht machen.

Denn die StahlarbeiterInnen sind im Tarifjahr 1991 die letzten — zeitlich gesehen. Und sie haben Angst, auch finanziell abgekoppelt zu werden: Traditionell hinken sie bereits mit ihren Löhnen hinter den Beschäftigten aus dem metallverarbeitenden Gewerbe her. Die Differenz betrug 1990 bei den Grundlöhnen 16 Pfennige. Der „Ecklohn“ für FacharbeiterInnen in der Metallverarbeitung, die ihre 91er Tarifrunde schon hinter sich haben, liegt derzeit bei 15,42 Mark, in der Stahlerzeugung aber noch bei 14,29 Mark. Die Forderung der StahlarbeiterInnen heißt, so Betriebsrat Eike Hemmer zur Presse: „1,1 Prozent Anhebung der Löhne vorweg auf die Ecklöhne der Metallverarbeiter. Plus 10,5 Prozent Lohnerhöhung.“

Doch auf diese Wünsche scheinen sich die Arbeitgebervertreter im Stahltarifkonflikt nicht einlassen zu wollen. Dazu Michael Breidbach, Leiter der Vertrauensleute bei Klöckner: „Die Arbeitgeber haben bisher kein Angebot gemacht und sagen sogar, die vier Prozent Lohnerhöhung, die der Sachverständigenrat für 1992 empfohlen hat, seien noch zuviel.“ Um die Dramatik zu unterstreichen, zitierte Betriebsrat Harry Becker den Verhandlungsführer der Stahl-Arbeitgeber, Schmidthals: „Zwei Öltanker rauschen aufeinander zu. Die Frage ist, wer ausweicht. Wir als Arbeitgeber werden nicht beidrehen.“ B.D./Foto: J. Oberheide

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