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Fragwürdiger „Jugendschutz“

■ Kritik am Referentenentwurf der Bundesregierung zur Streichung des Schwulenparagraphen 175 StGB/ Schwulenverband bemängelt Erhöhung des „Schutzalters“ und fehlende Eingrenzung

Bonn/Leipzig (taz) — Kritik am vorgelegten Referentenentwurf der Bundesregierung zur Streichung des Schwulenparagraphen 175: Wie der Schwulenverband in Deutschland (SVD, Leipzig) mitteilt, ist die Regierung bei der Vereinheitlichung des „Jugendschutzes“ für Mädchen und Jungen nun „weit über das Ziel hinausgeschossen“. Zwar seien die Streichung des diskriminierenden Sonderparagraphen 175 des Strafgesetzbuches und die Absenkung des „Schutzalters“ für männliche Homosexualität von 18 auf 16 Jahre zu begrüßen. Doch werde es für lesbische und heterosexuelle Verhältnisse von 14 auf 16 Jahre erhöht. Dies sei zuviel der Kriminalisierung. Für die Notwendigkeit dieses Schritts, so der SVD, werde in dem Referentenentwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes keinerlei wissenschaftliche Begründung genannt.

Auch der Kölner Bundesverband Homosexualität (BVH) hatte sich in der Vergangenheit mehrfach gegen die „Strafverschärfung“ des neuen Jugendschutzgesetzes gewandt. Wie es in der aktuellen Kritik des SVD heißt, müsse der Paragraph 175 StGB — der sexuelle Handlungen zwischen volljährigen und minderjährigen Männern unter Strafe stellt — nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand vielmehr ersatzlos gestrichen werden. Ebenso verhalte es sich mit dem für Mädchen zuständigen Paragraphen 182 des Strafgesetzbuches.

An dem nun vorgelegten Neuentwurf des Paragraphen 182 — so der SVD — sei ebenfalls unakzeptabel, daß die Vorschrift „nicht als reines Antragsdelikt“ gefaßt sei. So sei weiterhin nicht sichergestellt, daß ausschließlich auf Antrag der Eltern und der Jugendlichen ermittelt werde und nicht durch „eifrige Staatsanwälte im öffentlichen Interesse“. Es dürfe nicht sein, daß von Amts wegen gegen den Willen der Jugendlichen und Erziehungsberechtigten ermittelt werde.

Vielmehr müsse es möglich sein, daß Eltern ihrem Kind „die schädlichen Wirkungen eines Strafverfahrens ersparen können“.

Unbegründet sei an dieser Neufassung des Paragraphen 182 auch die Erhöhung des Strafmaßes von einem Jahr auf drei Jahre. Die „Tathandlung“ müsse gesetzlich auf den „Mißbrauch zu vaginalem, oralem oder analem Geschlechtsverkehr“ eingegrenzt werden. Im vorliegenden Entwurf ist ohne jede Eingrenzung oder Spezifizierung ziemlich allgemein von „sexuellen Handlungen“ die Rede.

Die Bonner CDU/FDP-Koalition hatte sich erst nach der deutschen Vereinigung zur jetzt beabsichtigten Streichung des 175ers durchgerungen. Der Grund für die unerwartete Liberalität: In der DDR war die Sondergesetzgebung für männliche Homosexualität schon in zwei Schritten, 1968 und 1988, gänzlich abgeschafft worden. kotte

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