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Die großen Schiffe und der kleine Fluß

■ Die Papenburger Meyer-Werft drängt auf eine weitere Vertiefung der Ems / Ausweichstandort Rügen geplant

Die Meyer-Werft in Papenburg existiert sei 1795 — seit Mitte der 80er Jahre dieses Jahrhunderts werden dort riesige Kreuzfahrtschiffe gebaut. Bisher vertraute man in den Chefetagen darauf, daß die Ems in dem Maße vertieft wird, wie die Schiffe größer werden. Seit einiger Zeit macht sich aber Umdenken bemerkbar: Auf der Insel Rügen in Mecklenburg- Vorpommern wird ein neuer Standort für etwa 1.200 Beschäftigte geplant.

Schon aus der Ferne ist von den Emsdeichen die gigantische Werft-Halle zu sehen. 346 Meter mißt das Bauwerk in der Länge, was den Ausmaßen von dreieinhalb Fußballfeldern entspricht. Mit 50 Metern ist sie immerhin halb so hoch wie der Bremer Dom. Im Innern liegt die „Zenith“ — mit ihren zwölf Decks für 1.300 Passagiere und 650 Besatzungsmitglieder gebaut.

Der Betriebsrats-Vorsitzende, Paul Bloem, ist davon überzeugt, daß sich die Meyer-Werft nicht auf den Bau kleinerer Schiffe verlegen könne, damit die Ems nicht ständig ausgebaggert werden muß. „Auf dem Markt für Container-Schiffe gibt es demnächst einen Einbruch“, prophezeit der Arbeitnehmer-Vertreter. „Wenn die Meyer-Werft da auch noch reindrängt, haben wir das Chaos.“ Bloem: „Dagegen sind wir die einzigen in Deutschland, die Kreuzfahrtschiffe dieser Größenordnung bauen.“

Die Aufträge für kleinere Schiffe, die die Papenburger Werft von Zeit zu Zeit annimmt, seien außerdem nur Lückenfüller, um die Belegschaft bei Beschäftigung zu halten, so Bloem. Der größte Teil der Werft-Kapazitäten sei mittlerweile auf den Bau der großen Kreufahrtschiffe ausgelegt.

Die „Zenith“ ist nicht das erste Projekt, abgeliefert wurden schon ihr Schwesterschiff „Horizon“, vorher die „Crown Odyssee“ und die „Homeric“. Über das nächste Schiff verhandelt die Werft schon seit zwei Jahren, der Vertragsabschluß steht kurz bevor. Der Ozeanriese für eine englische Reederei soll einen Tiefgang von 7,30 Meter haben. Paul Bloem: „Derzeit haben wir nichts anderes in Aussicht. Wenn das nicht klappt, gehen wir auf dem Zahnfleisch.“

Der Haken an der Sache: Die Ems ist gar nicht tief genug. Und die rot-grüne Landesregierung in Hannover hat durchblicken lassen, daß eine weitere Vertiefung der Ems kaum mehr in Frage komme. Während die Grünen im Landtag sich gegen 7,30 Meter aussprechen, sind eindeutige Aussagen von der Landesregierung allerdings nicht zu erhalten.

Die niedersächsische Koalitionsregierung ist ein gebranntes Kind: Erst kürzlich mußte sie sich mit der Vertiefung des Flusses von derzeit 5,70 Meter auf 6,80 Meter einverstanden erklären — sonst könnte die „Zenith“ im Februar nicht zur Nordsee geschleppt werden. Die Werft hatte mit dem Bau des Schiffes begonnen, obwohl die Flußtiefe nicht ausreichte — nicht ohne zuvor die inoffizielle Vorabgenehmigung der inzwischen abgewählten niedersächsischen CDU-Regierung einzuholen.

Ins Jahr 1990 fallen neben dem Regierungswechsel in Hannover auch die ersten Überlegungen der Meyer-Werft, in Mecklenburg- Vorpommern einen neuen Standort zu eröffnen. Den Ausschlag für Rügen hat nach Auskunft von Werft-Sprecher Jörg Krüger unter anderem die Tatsache gegeben, daß dort keine Beschränkungen für den Tiefgang der Schiffe bestünden.

Die zukünftige Aufteilung der Produktion stellt die Werft sich so vor: Schiffe bis zu einem Tiefgang von 7,30 Meter werden in Papenburg gebaut, die größeren auf Rügen. Die Arbeitsplätze in Papenburg sollen zwar erhalten bleiben, doch mit ihrem zweiten Standort hat die Werft gegenüber der niedersächsischen Landesregierung ein Druckmittel in der Hand, um auf die weitere Vertiefung der Ems zu dringen. Hannes Koch

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