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La Montse

■ Zum Tod der katalanischen Schriftstellerin Montserrat Roig

In Barcelona kennt jeder Montserrat Roig. Teresa kennt sie, weil sie über deren Tochter, die aus politischen Gründen inhaftiert ist, mehrere engagierte Artikel geschrieben hat. Christina kennt sie, weil sie bei einem ihrer Fernsehinterviews Kabel getragen hat. Carme, die Feministin, hat mit ihr viele Podiumsdiskussionen veranstaltet, und Juan, der Schriftsteller, hat literarische Gespräche mit ihr geführt. Alle reden liebevoll von „La Montse“, von ihrer Hilfsbereitschaft, ihrer Vitalität, ihrer Warmherzigkeit.

Montserrat Roig ist die bekannteste katalanische Journalistin und Schriftstellerin ihrer Generation. Sie wurde am 13.Juni 1946 in Barcelona geboren und fing bereits in ihrer Studienzeit an zu schreiben. Sie schrieb, weil sie gerne schrieb, und sie schrieb, um dem politischen Druck der Franco-Diktatur, dem sie in mehrfacher Hinsicht — als Frau und als Katalanin — ausgesetzt war, etwas entgegenzusetzen. Als Frau erlebte sie, wie die Spanierinnen damals vom öffentlich- rechtlichen Leben ausgeschlossen waren. Als Katalanin erfuhr sie, wie ihre Kultur — ebenso wie die galizische und die baskische — von Madrid aus brutal unterdrückt wurde. Katalanisch zu sprechen war zum Beispiel offiziell verboten. Aber Montserrat Roig fing an zu schreiben, und zwar — schon allein das war in diesen Zeiten ein Politikum — in ihrer Sprache, auf katalanisch.

Mutig und engagiert hat sie sich — als Journalistin und als Schriftstellerin — mit diesen Themen auseinandergesetzt. Sie hat dafür gekämpft, daß sich die Lage der Frauen in Spanien verbessert, daß die faschistische Vergangenheit nicht in Vergessenheit geriet, daß Randgruppen zu ihren Rechten kommen. Daß Montserrat Roig hierzulande so wenig bekannt ist, liegt daran, daß bisher wenig aus dem Katalanischen übersetzt wurde. Allerdings, einige Erzählungen von ihr erschienen in Anthologien (Meine Schwester Elba, Suhrkamp Verlag 1988, Frauen in Spanien · Erzählungen, dtv 1989), und gerade kam auf deutsch einer ihrer besten Romane, Zeit der Kirschen, (Elster Verlag 1989, katalanische Erstveröffentlichung 1976) heraus. Zeit der Kirschen handelt vom ganz alltäglichen (Über-)Leben in einer Diktatur. Am Beispiel der Mitglieder der katalanisch-bürgerlichen Familie Miralpeix zeigt Montserrat Roig auf, inwieweit das Politische das Private bestimmt — von den äußeren Lebensweisen angefangen bis hin zu den Träumen und Illusionen der einzelnen. In diesen bedrückenden letzten Jahren des Franquismus, in denen die Geschichte spielt, suchen die Männer — da politisch entmündigt oder frustriert — ihr persönliches Glück eher in der Arbeit und die Frauen, da auch das ihnen verwehrt ist, notwendigerweise im Privatleben. Zum Teil aus der Sicht der Tochter Natàlia, die nach zwölfjährigem Exil in ihre Heimat zurückkehrt, zum Teil aus der Sicht der anderen Familienmitglieder erschließen sich dem Leser nach und nach — durch Perspektivenwechsel und Zeitsprünge — die verschiedenen Schicksale. Der Vater Joan Miralpeix zum Beispiel kämpfte im spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Republikaner, der „Roten“, hat sich aber nach dem Sieg der Franco-Truppen und nach einer Internierungszeit mit den bestehenden Verhältnissen arrangiert. Politik ist kein Thema mehr, er zieht als Architekt ein tristes Hochhaus nach dem anderen an der Costa Brava hoch. Seine Schwiegertochter Silvia, die außer Ballettanzen nichts gelernt hat und vom Ehemann außerhäusliche Arbeit verboten bekommt, kompensiert durch endloses Geplauder mit Freundinnen über Diäten, Männer, Süßigkeiten ihre Lage. Zeit der Kirschen ist dennoch ein hoffnungsvolles Buch, Veränderungen zeichnen sich ab.

Montserrat Roig ist am 10.November 1991 nach schwerer Krankheit im Alter von 45 Jahren in Barcelona gestorben. Anima Kröger

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