piwik no script img

Gysi ruft Gorbatschow um Hilfe

■ Die geplante Entscheidung der „Kommission zur Überprüfung der DDR-Parteivermögen“ widerspricht nach Ansicht des PDS-Vorsitzenden dem Völkerrecht/ Die Partei kündigt politischen Widerstand an

Bonn (dpa/taz) — Der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi hat sich wegen der drohenden Entziehung von Parteibesitz an den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow gewandt. Die von der unabhängigen „Kommission zur Überprüfung der DDR-Parteivermögen“ angestrebte Widerrufung von Entscheidungen der sowjetischen Besatzungsmacht widerspreche den Abmachungen zwischen Deutschland und der UdSSR. Regelungen des Einigungsvertrags würden durch die Kommission konterkariert, sagte Gysi gestern gegenüber der Nachrichtenagentur 'dpa‘. Er habe daher den sowjetischen Staatspräsidenten Gorbatschow über die seiner Meinung nach „rechtswidrigen“ Beschlüsse der Kommission vom Donnerstag informiert und um Unterstützung gebeten.

Die PDS hat die jüngsten Beschlüsse der Unabhängigen Parteienkommission scharf kritisiert und neue Formen „des zivilen und politischen Widerstandes“ angekündigt. Der stellvertretende PDS-Parteivorsitzende Andre Brie betonte gestern in einer Erklärung, daß „die Auflösungs- und Neugründungsdiskussion innerhalb der PDS“ überflüssig sei. Auf einer Vorstandssitzung der PDS will Parteichef Gysi am Wochende in Berlin offiziell seine erneute Kandidatur für den PDS-Vorsitz auf dem bevorstehenden Parteitag im Dezember ankündigen.

Die Kommission hatte am Donnerstag abend beschlossen, daß ein großer Teil des Vermögens, das sich aus den ehemaligen Mitgliedsbeiträgen der früheren DDR-Parteien zusammensetzt, künftig als unrechtmäßig erworben gilt. Dies sei gleichbedeutend mit dem Bankrott der PDS, hatte daraufhin Partei-Sprecher Hanno Harnisch erklärt. Zuvor hatte der sächsische Landesvorsitzende der SED- Nachfolgepartei, Klaus Bartl, die Auflösung der Partei ins Gespräch gebracht, falls tatsächlich ein Großteil der früheren Mitgliedsbeiträge der PDS einbezogen werden sollte.

Im Gegensatz dazu betonte Brie in seiner Erklärung, die PDS wolle sich nicht von der Kommission, der Treuhand oder der Regierung knebeln lassen. Die Berliner Mitglieder der Partei würden dazu beitragen, daß die politische Arbeit der PDS auch im nächsten Jahr gewährleistet ist, erklärte Brie, der auch Landesvorsitzender der Berliner PDS ist. Brie beklagte einen „Sozial- und Demokratieabbau“ in Deutschland, der eine „selbstbewußte und kämpferische sozialistische Partei“ auch weiterhin erforderlich mache.

Der PDS-Parteivorstand wird am Wochenende zu einer Sitzung in Berlin zusammentreten und unter anderem die Auswirkungen des Kommissionsbeschlusses auf die finanzielle Lage der Partei erörtern. Nach Angaben von Harnisch wird dabei Gregor Gysi seine Kandidatur für das Amt des Parteivorsitzenden auf dem PDS-Parteitag am 14. und 15. Dezember in Berlin ankündigen. Er wolle weiterhin eine Vorschlagsliste für die Besetzung der übrigen Vorstandsposten vorlegen. Der Vorstand der Partei werde auf dem Parteitag von jetzt 60 auf 15 Personen verkleinert. Das 18 Mitglieder umfassende Präsidium, das bislang das eigentliche Entscheidungszentrum der Partei war, wird nach Angaben des Pressesprechers aufgelöst. itz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen