: Die gute Oberfläche
■ Freimaurerpreis an den Maler Wulf Sternebeck
Ich habe mit den Bildern Wulf Sternebecks gelebt. Wir hatten zwei Jahre lang gemeinsam ein Atelier, den einzig wahren Ort der Malerei, das Hier und Jetzt der Materialien, der Pigmente, Pinsel, Öle, den Ort, wo ein Bild begonnen und beendet wird. Wulf Sternebecks Materialien sind: Papier, Tusche, Leinöl, Nessel und Pigmente, herkömmliches Material seit Jahrhunderten, doch was dieser Maler daraus macht, ist ganz und gar selten.
Ich habe oft miterlebt, wie es geschieht, das Herstellen der Leinwand, das Grundieren, die erste gemalte Schicht, die zweite als Haftgrund für das spätere Bild. Makulaturpapier wird in Leinöl getränkt. Dieses Papier wird über die gesamte Bildfläche gelegt und läßt die darunterliegende Malerei durchscheinen. Es entsteht Tiefe. Der Raum hinter der gelblich-transparenten Hülle ist unbestimmt. Es gibt Bewegung, Farbe, Licht, aber die Andeutung muß verwirklicht werden durch Dingliches, eine Zeichnung, eine Geste auf der Oberfläche des Papiers.
Geometrie erscheint, ein Kreis, ein Viereck, eine Ellipse. Oder der Ansatz einer Brücke, feine Umrisse architektonischer Konstruktionen. Form stösst auf Leere.
Diese Bilder sind ohne Bedeutung. Es ist sinnlos, etwas in ihnen entdecken zu wollen, was nicht schon auf ihnen sichtbar wäre. Gute Malerei spielt sich auf der Oberfläche ab. Den Arbeiten von Wulf Sternebeck ist ihre Entstehung anzusehen. Es sind ausnahmslos Quadrate, ihr Ton ist hell, sie schimmern leicht, die Linien sind klar. Natürlich erinnert die Transparenz der Papiere an Haut, verwundbare Haut, doch man sollte zurückkehren zum einfachen Betrachten der Fläche, die nichts darstellt als sich selbst.
Wulf Sternebeck lebt und arbeitet in Bremen. Letztes Jahr schloß er sein Kunststudium ab. Die Freimaurerloge „Zum silbernen Schlüssel“ und die Hochschule für Künste haben ihm den Förderpreis 1991 (3.000 Mark inkl.) verliehen. Zu dieser Gelegenheit zeigt Sternebeck Arbeiten aus diesem Jahr. Zur Ausstellung ist ein sehr gut gemachter Katalog erschienen. Will Gmehling
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