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Farbregie an heiklen Orten

■ Willi Oltmanns, Postexpressionist aus Delmenhorst, hat seine neue Monographie verdient

Seine Bilder hängen im Landesmuseum Oldenburg, in der Städtischen Galerie Delmenhorst, in der Kreissparkasse Rotenburg. Staatshochbauämter schmücken sich mit ihm, auch der Minister für Bundesangelegenheiten und Privatleute in Barcelona und Garmisch. Willi Oltmanns (1905-1979), Delmenhorster Spät- und dann Postexpressionist in der Nachfolge von Kirchner/ Heckel/Schmidt-Rottluff, hat ein umfangreiches Werk von Aquarell- und Ölgemälden hinterlassen, das den naiven Kunstkonsumenten zunächst mit einer Qualität erfreut: Oltmanns' Bilder sind schön. Umso angebrachter, daß der Bremer Hauschild-Verlag jetzt zu Leben und Werk des Künstlers eine umfangreiche Monographie vorlegt.

Ein besessener Aquarellist war Oltmanns Zeit seines Lebens. Wo Kollegen das Aquarell gern zur Vorstudie des großen Öl- oder Acrylbildes verkümmern ließen, machte Oltmanns seine künstlerischen Aussagen gern und meisterhaft in der Naß-in-Naß-Technik, deren Luzidität vielgerühmt wird, deren Unberechenbarkeit (z.B. der ausfransenden Ränder wegen) dagegen gefürchtet ist.

Das OEuvre Oltmanns' ist gekennzeichnet von zwei Sujets, deren angestammter Platz in deutschen Wohnzimmern über dem Sofa ist: der Landschaft und dem Stilleben. Melonen mit Kaffeemühle und Flasche, Astern in der Vase, Buch, Wecker, Trauben und Chrysanthemen oder Agave hinter Buch mit Brille: Das ist zu sehen, und trotzdem fangen die Augen an zu wandern, folgen den dicken schwarzen Konturen (Olt

Stilleben am winterlichen Fenster (1965)Abbildung: aus der Monographie

manns bewunderte Beckmann), pendeln zwischen Voder- und Hintergrund hin und her, heften sich an eine subtile Diagonale. Weit mehr als dem Gegenstand sind Oltmanns' Bilder der Konstruktion im Raum verpflichtet, in dem eine behutsame Farbregie Stimmung aufkommen läßt.

Ein „Stilleben am winterlichen Fenster“ von 1965 (s.Abb.) verweist auf Oltmanns' Lieblingsstimmung: die winterliche. Der begegnet man sehr oft in seinen Landschaftsbildern. Weiß ist hier Farbe, wie auch Schwarz: beide bilden Flächen, die den oft zurückhaltenden Aufträgen von Blaulila oder Braungrün erst den Eigensinn geben.

hierhin bitte

das Gemälde

Winter, das war für Oltmanns auch „verlorene Heimat“; 1905 in Rüstringen bei Wilhelmshaven als Bauernsohn (neun Geschwister) geboren, zog er nach einer Malerlehre ins schneereiche Riesengebirge. Dort fand er Freunde

Naive dürfen sich zunächst an der Schönheit der Bilder erfreuen

und Unterstützer. Die Haltung der Nazis zu seiner Kunst war gespalten: „Realistischere“ Arbeiten konnten hängen bleiben, andere wurden entfernt.

1947 siedelte sich Oltmanns mit seiner Frau Lilo in Delmenhorst an, wo sein Haus bald stadtbekanntes „Malerhaus“ wurde. In den 60ern stellte sich dann auch der Erfolg ein - nach mehreren großen Einzelausstellungen in Norddeutschland. Oltmanns realisierte „Kunst am Bau“- Projekte u.a. in Cloppenburg, in der Handelsschule und der Realschule von Delmenhorst und im Arbeitsamt von Vechta. Anfang 1979 starb Oltmanns in Delmenhorst.

Willi Oltmanns würde mißverstanden, läse man aus seinen Bildern nur Beschwörung von Schönheit und Idylle. Gegenstand seines Interesses waren meist heikle Plätze, Orte des Zusammenstoßes, Randzonen. Etwa Gewächshäuser, Fabrikhöfe, Baustellen, Straßen, Brücken. Wo sich Natur und Kultur reiben. Daß wir seine Bilder heute überaus harmonisch finden, daß wir endlos Melancholie aus ihnen beziehen könnten, lag sicher nicht in Künstlers Absicht. Eher liegt es daran, daß „Kultur“ heute ganz erheblich drastischer in unsere Landschaften eintritt. Bus

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