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KOMMENTARParteiprofile

■ Die Identitätskrisen der Koalition

Vor gut einem Monat prognostizierte Eberhard Diepgen, nach den Landesparteitagen von CDU und SPD werde wieder Ruhe in die Koalition einkehren. Er dürfte recht behalten. Die vielbeschworenen Krisen des Regierungsbündnisses offenbarten sich als Winde im Wasserglas. Die symbolischen Konfliktpunkte entfalteten die von ihnen erwartete therapeutische Wirkung auf die Gefühlslagen der beiden Parteien. Mit ihnen wurde einem Bedürfnis nach wechselseitiger Abgrenzung Rechnung getragen, das, so scheint's, in dem Maße wächst, wie sich die Parteien annähern. Diese Profilierung aneinander hilft ihnen über den Bedeutungsverlust hinweg, den sie in der großen Koalition erleiden, und verdeckt zugleich das strukturelle Dilemma, in dem sie stecken. Über Jahrzehnte haben CDU und SPD in der Westberliner Inselexistenz eine Daseinsphilosophie entwickelt, die vorrangig auf die Befriedigung der jeweiligen Klientel abzielte. Seit der Vereinigung der beiden Stadthälften ist jedoch eine drastische Reduzierung der öffentlichen Dienstleistungen zu verzeichnen, die in den nächsten Jahren sich eher noch verstärken wird. Mit ihnen einher geht, absehbar, ein schwindender Einfluß der Parteien. Statt darauf mit einer Veränderung der Programmatik zu reagieren, halten SPD und CDU alle ihre Partialinteressen im Prinzip aufrecht, die Schwerpunkte setzt derweil der Senat. Dieter Rulff

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