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Rote Karte für den Stadionsprecher

Der 1.FC Kaiserslautern und Schalke 04 feiern ein gerechtes 1:1-Unentschieden als gemeinsamen Sieg  ■ Von Günter Rohrbacher-List

Kaiserslautern (taz) - 13.51 Uhr: Hauptbahnhof Ludwigshafen. Auf Bahnsteig 4 tummeln sich Fans in Rot und Weiß. Wenige Meter abseits davon regiert Weißblau, Schalker Anhänger aus dem Pott und aus Südwestdeutschland proben erste Sprechchöre. Am Ende der Plattform, dort wo die Lok gleich anhalten wird, sammeln sich die, denen die Ereignisse von Brüssel-Anderlecht noch im Kopf herumschwirren. Sie halten Distanz. Es bleibt friedlich. Auch als der D-2556 sich in Kaiserslautern leert, geschieht nichts.

Und vier Stunden später ertönen Gesänge auf dem lausigkalten Lauterer Bahnsteig, die jeden Fremden und des Ergebnisses Unkundigen erahnen lassen müssen, daß hier zwei siegreiche Parteien den Erfolg ihrer Mannschaften feiern.

Auch im Stadion regierte der Intellekt. Nur bei einem nicht: In völliger Unkenntnis der Ereignisse vom letzten Mittwoch glaubte der nicht unumstrittene Lauterer Stadionlautsprecher Udo Scholz einen Beitrag zur Fairneß zwischen den rivalisierenden Fangruppen leisten zu müssen. Und es war ja auch für die einen imposant, für andere, wie ihn, vielleicht bedrohlich, daß der gewohnten FCK-Fangemeinde in der Westkurve ein prallgefüllter blauweißer Block auf der Osttribüne auch stimmlich in nichts nachstand. Doch Scholzens dummer Spruch „wir sind deutsche Fans, wir sind keine Hooligans“ war völlig daneben, waren es doch gerade deutsche Fans, die die EinwohnerInnen von Brüssel das Fürchten gelehrt hatten.

Furcht vor dem Gegner kannten die Teams in Blau und Rot beide nicht, hatte doch Schalke-Trainer Aleksandar Ristic nach dem 3:0 gegen Köln getönt, seine Elf hole auf dem Betzenberg einen Punkt. Ja, wenn das Stadion noch mehr Schalker Fans fassen könnte, würden es gar zwei Zähler sein. Diese Einschränkung muß die Schalker in der zweiten Halbzeit ordentlich irritiert haben, vergaßen sie doch, einen dank ihrer offensiven Spielweise verunsicherten FCK zu schlagen.

Der war bereits im Laufe der Woche von Trainer Karlheinz Feldkamp auf ein Unentschieden, auf „eines unserer schwersten Heimspiele“ vorbereitet worden. Doch die Lauterer begannen dann doch gewohnt forsch und hatten im ausverkauften Stadion nach Kuntz' Führungstor in der 20. Minute noch vier weitere Chancen durch Kuntz, Witeczek, Hotic und Kadlec, die jene aber nicht nutzten.

„Die machten Dampf, wollten zwei Tore vorlegen, und wir haben es in der ersten halben Stunde sehr schwer gehabt“, dozierte Ristic hinterher und sprach mit Stolz von dem wunderschönen Ausgleichstor, das Andreas Müller per Fallrückzieher in der 45. Minute erzielte.

Dieses Tor versetzte den roten Teufeln einen furchtbaren Schock, doch voller Ehrfurcht verzichtete Peter Sendscheid fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff darauf, Schalke sogar in Führung zu schießen. Er hätte ganz allein des deutschen Meisters erste Heimniederlage dieser Saison verifizieren können, aber auch zwölf Minuten vor Schluß schoß er aus kurzer Entfernung über das nun immer mehr gefährdete Lauterer Tor.

Wie das aber auf dem Betzenberg so ist, bergen die letzten und allerletzten Minuten für Gastmannschaften noch manche unliebsamen Überraschungen, wenn sie nicht bis zum finalen Pfiff Augen und Ohren offenhalten. Doch diesmal war das Glück mit dem Gast. Kuntz, Hotic und Witeczek verpaßten drei klare Möglichkeiten. „Wir können uns beide gratulieren zu diesem Unentschieden nach diesem spannenden Fußballspiel“, resümierte Herr Feldkamp und war nicht einmal unzufrieden. Nun, Herbstmeister ist der FCK wie schon im letzten Jahr auch heuer nicht geworden. Ein gutes Omen? Alex Ristic versprach gar für Schalke 04 die Meisterschale, allein den Zeitpunkt ließ der Kluge offen.

Und sonst? Sechs gelbe Karten gab es, keine gelbrote und das rote Kärtchen gebührte allein einem Kneipier aus Weinheim, dem Stadionsprecher Udo Scholz.

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