: Abschiebung in das zairische Chaos
■ Zairer, die vor Diktatur und Wirtschaftselend in ihrer Heimat in den benachbarten Kongo fliehen, werden gewaltsam abgeschoben/ 400.000 „irreguläre“ Zairer leben in Kongos Hauptstadt Brazzaville
Brazzaville (ips/taz) — Die Regierung von Kongo geht mit wachsender Härte gegen Flüchtlinge und illegale Einwanderer aus dem benachbarten Zaire vor, wo sich die Wirtschaftslage seit den Unruhen vom September und Oktober drastisch verschlechtert hat. Laut Polizeiquellen in Kongo wurden allein am vergangenen Mittwoch 600 „irreguläre“ zairische Staatsbürger auf Booten von der Hauptstadt Brazzaville über den Grenzfluß in die gegenüberliegende Hauptstadt Zaires, Kinshasa, geschafft. Nach mehrtägigen Razzien in Brazzaville warten nun zahlreiche weitere Jugendliche auf dem zairischen Botschaftsgelände auf ihre Abschiebung.
„Wir haben festgestellt, daß die Ausweisungen mit Brutalität durchgeführt werden und die kongolesische Polizei humanitäre Erwägungen außer acht läßt“, kritisiert Zaires Botschafter in Brazzaville, Likoso Empapesa, das Vorgehen Kongos. Das zairische Fernsehen brachte Bilder von Abgeschobenen, die Kopfwunden vorzeigten und berichteten, sie seien gezwungen worden, Hab und Gut in Brazzaville zurückzulassen. Auch sollen Familien getrennt worden sein. Eine Frau erklärte, seit über zehn Jahren in Kongo gelebt zu haben, und sagte, vier ihrer in Kongo geborenen Kinder hätten sich zum Zeitpunkt der Razzien gerade in der Schule befunden.
Die kongolesische Polizei erwiderte die Vorwürfe mit der Erklärung, Gewalt sei nur in „unglücklichen Fällen“ angewandt worden, „vor allem wegen des Widerstandes, den manchen Irreguläre leisteten“.
Die offizielle Begründung für die Abschiebungen: Man will verhindern, daß die unerwünschten Ausländer an den kommenden allgemeinen Wahlen und einem Verfassungsreferendum teilnehmen. Kongo, einst marxistisch-leninistische Volksrepublik, befindet sich mitten in einem Demokratisierungsprozeß. Eine Nationalkonferenz im Frühjahr schaffte neue staatliche Institutionen, welche nun einen Zeitplan für freie Wahlen erarbeitet haben.
Der Wirtschaftskollaps in Zaire hat Kongo zu einem attraktiven Migrationsziel gemacht; Brazzaville dient gegenwärtig als Schwarzmarkt für zairische Schmuggelgüter. Im Bürgermeisteramt der Hauptstadt heißt es, neben den 700.000 registrierten Einwohnern gebe es in Brazzaville mehr als 400.000 „Irreguläre“ aus Zaire.
In Zaire selbst hat sich die politische Lage unterdessen weiter verkompliziert. Das Oppositionsbündnis „Heilige Allianz“ schloß einen ihrer wichtigsten Politiker, Nguza Karl-I-Bond, aus ihren Reihen aus, nachdem dieser sich dem Staatspräsidenten Mobutu als Premierminister angeboten hatte. Die „Heilige Allianz“ fordert jedoch die Wiedereinsetzung des Ende Oktober entlassenen Oppositionellen Etienne Tshisekedi als Premierminister.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen