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Stasi: Schertz ist »eine untadelige Person«

■ Innensenator Heckelmann sprach Polizeipräsident Schertz das Vertrauen aus/ Von Stasi-Vorwürfen entlastet

Berlin. Polizeipräsident Georg Schertz muß wegen seiner Stasi- Kontakte nicht mit Konsequenzen rechnen. Innensenator Dieter Heckelmann erklärte gestern vor dem Innenausschuß des Abgeordnetenhauses, ein verwerfliches Verhalten des obersten Polizeibeamten sei nicht erkennbar.

Zugleich machte Heckelmann deutlich, daß er selbst erst im November, wenige Tage vor der Veröffentlichung im 'Stern‘, von der Bespitzelung des Polizeipräsidenten durch dessen Ostberliner Cousin erfahren habe. Er sei vorher weder von seinem Amtsvorgänger Erich Pätzold (SPD) noch von Polizeivizepräsident Dieter Schenk informiert worden. Schenk hatte im Herbst letzten Jahres die Ermittlungen in dieser Angelegenheit geleitet.

Die Ermittlungen wurden aufgenommen, nachdem im August 1990 ein Überläufer des Ministeriums für Staatssicherheit den Tip gegeben hatte, daß auf höherer Ebene der Polizei ein Verräter sitze. Laut Schenk erklärte ein Stasi-Mitarbeiter nach der Vereinigung im Oktober 1990 den Ermittlern, Schertz sei dieser Agent. Dem Polizeipräsidenten gegenüber wurde dieser Vorwurf verschwiegen, lediglich der damalige Innensenator Pätzold wurde eingeweiht. Nach wenigen Tagen stellte sich jedoch heraus, daß der Hinweisgeber Schertz offenbar nur aus Renommiersucht beschuldigt hatte. Der Polizeipräsident selbst galt bei den Stasi-Anwerbern als harter Brocken. In einem internen Vermerk des MfS bescheinigte ihm die Stasi, daß er »eine untadelige Person« sei, »die keine Anhaltspunkte für operative Bearbeitung gibt«.

Zeitgleich mit dieser Entlastung des Polizeipräsidenten wurden Ermittlungen gegen dessen Cousin aufgenommen. Schertz betonte gestern nochmals, daß er mit diesem lediglich über familiäre und nie über dienstliche Belange gesprochen habe. Vor allem habe er nicht, wie in der Presse behauptet, Gespräche über Sicherheitsmaßnahmen beim Besuch des US-Präsidenten Reagan und der Räumung des Lenné-Dreiecks geführt. In den fraglichen Zeiträumen habe er sich gar nicht mit seinem Vetter getroffen.

Der Abgeordnete Klaus Wienhold von der CDU glaubte, der Sachverhalt eigne sich nicht dafür, Schertz Vorhaltungen zu machen. Auch die SPD mochte kein Fehlverhalten erkennen. Wolfgang Wieland von den Grünen/Bündnis 90 befand hingegen, daß der Polizeipräsident fahrlässig gehandelt habe. Die FDP mochte noch kein abschließendes Urteil fällen. Sie hatte allerdings schon vor der Stasi-Affäre einen Abwahlantrag gegen den Polizeipräsidenten ins Abgeordnetenhaus einbringen wollen. Nun soll darüber am kommenden Donnerstag entschieden werden. Dr

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