PRESS-SCHLAG: Barde gesucht!
■ Eintracht Frankfurt: Zwietracht um Vereinshymne
Herbstmeister Eintracht Frankfurt geht es zur Zeit wie jenem kleinen gallischen Dorf dort unten in Armorica. Trotz hin und wieder verlorener Gefechte hören sie nicht auf, dem 19köpfigen Verfolgerrudel Widerstand zu leisten. Dank des Zaubertranks, den „Miraculix“ Stepanovic zu Saisonbeginn gemixt hat. Scheinbar ruhige Tage also am Main. Doch was wäre das kleine gallische Dorf, was wäre die Eintracht ohne einen kleinen Zwist.
Es fing alles ganz harmlos an. In der Halbzeitpause des ersten Heimspiels hörte man gar seltsame Klänge über die Stadionlautsprecher. Viele Fans hatten noch ihre obligatorischen Ohrstöpsel drin, um nicht die Eintracht-typische Halbzeitmelange aus „Fraa Rauscher, der frisch gekelterte Äbbelwoi von...“ und Dicke-Backen- Musik ertragen zu müssen. Soviel war jedenfalls zu verstehen: hier lief eine richtige Rhythm-and-Blues-Nummer mit beachtlichem Groove. Und im Refrain hörte man eindeutig Wortfetzen, wie „Mach ihn rein, meine Diva vom Main“. Beim Teutates! Sollte es das tatsächlich geben, ein Vereinslied ohne Humba-Humba-Tätärä?
Nun, die Stelle des Barden war beim Tabellenführer noch vakant. Sänger Christian Fuchs kannte bisher zwar niemand, aber mit seiner rauhen Stimme machte er so nebenbei auch noch der Fälschung Lage/ Dehm den Garaus. Wenn das kein Argument ist!
14 Tage später kannte auch der letzte den Song, die Single ging weg wie warme Semmel und alles schien in Butter. Doch nun trat „Automatix“, alias Manager Klaus Gerster, auf den Plan. Über diverse Springer-Postillen ließ er verbreiten, der Text sei dem Verein zu schlüpfrig — gar „ein bißchen obszön“. Man suche ein neues Lied.
Klaus Gerster als verkannter Amateurhermeneutiker? Lassen wir den Text für sich selbst sprechen: „Manchmal spielst du so graziös/ manchmal eher skandalös/ Deine Allüren sind längst legendär/ dennoch verehr ich dich sehr.“ Nun, so ist sie halt, die Frankfurter Eintracht. Vielleicht sind folgende Zeilen gemeint: „Mit deinen superlangen Pässen/ kann sich keine andere messen ... Zeig mir, daß es bei uns funkt/ treib dich jetzt zum Höhepunkt ... Mach ihn rein/ meine Diva vom Main.“ Unseren Kleinen wird im Nachmittagsprogramm zweifellos stärkerer Tobak zugemutet.
Der smarte Gerster jedenfalls zauberte plötzlich einen konkurrierenden Barden aus dem Hut, den „Riederwälder“, wie er sich anbiedernd nach dem die Eintracht beheimatenden Stadtteil nennt. Sein Lied mit dem bezeichnenden Titel „Hipp-Hipp-Hurra“ ist von einem Kaliber, daß sich einem die Mistelzweige sträuben.
Bei seiner Vorstellung im Waldstadion herrschte betretenes Schweigen im weiten Rund. Solch ein Niveau hatten selbst größte Pessimisten nicht erwartet. Muten wir uns einen kurzen Textauszug in platt-hessich zu: „En Paß, en Schuß, e volles Rohr/ da hebt das Stadion ab im Chor.“ Hier bleibt als Kommentar nur schwerstes Versmaß aus Frankfurter Kulturgeschichte: „Sicher ist, daß Meister Goethe/ solch Torheiten Paroli böte!“
Während im kleinen gallischen Dorf solcherart Dissens durch eine mittelgroße Rauferei gelöst worden wäre, verfiel die Eintracht auf etwas ganz Neues: Sie bemühte das nicht zum erstenmal ziemlich nervende Schweizer Volksabstimmungsmodell. Folglich wurden im vorletzten Heimspiel (gegen die Legionäre von Valium Leverkusen) 15.000 Stimmkarten an die Fans verteilt.
Sofern die Auszählung mit rechten Dingen zugeht, braucht man sich jedoch um die Diva vom Main keine Sorgen zu machen. Schließlich dienen alle kleinen Streitereien dem großen, gemeinsamen Ziel — dem Sieg über Hoeneß' Kohorten. Damit es zum Schluß endlich heißt: „Die Meisterschaft wurd schnell bekannt/ im ganzen Salamanderland/ Und lange schallt's im Stadion noch/ unsere Eintracht lebe hoch!“ Matthias Kittmann
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