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7 Kinder „hingerichtet“

Rio de Janeiro (dpa/taz) — Ein Gemetzel an sieben Kindern zwischen neun und 17 Jahren entsetzt die Brasilianer. Die Bluttat eines Kommandos der berüchtigten Todesschwadronen an den sechs Jungen und einem Mädchen in der Slum-Favela „Nova Jerusalem“ in Rio de Janeiro ist an blindwütiger Grausamkeit allerdings auch kaum zu übertreffen.

Zehn Tage nach dem Massaker verkündete Brasiliens Fernsehstar Maria da Graca Meneghel, die als „Xuxa“ in TV-Sendungen Millionen von Kindern in Brasilien und anderen Ländern unterhält, am Sonntag ihren Entschluß, das 16jährige Mädchen Andreia zu sich zu nehmen und sich fortan um sie zu kümmern. Andreia hatte als einzige das nächtliche Massaker an den Straßenkindern überlebt, der Polizei alles geschildert und die Mörder identifiziert.

Wie jede Nacht hatten sich die Straßenkinder in einer Hütte der Favela versammelt. Sie schnüffelten Schusterleim, der euphorische Halluzinationen hervorruft und den Hunger vergessen macht, tranken den Zuckerrohrschnaps „Cachaca“ und teilten sich einiges Brot mit Streichwurst. Alle diese Sachen hatten sie sich im Laufe des Tages zusammengestohlen.

Dann tauchten vier mit Revolvern bewaffnete Männer auf, die sich als Polizisten ausgaben. Sie fesselten die Kinder aneinander, trieben sie zum Fluß, schlugen sie und quälten sie mit Glasscherben. Danach mußten sich die Kinder hinhocken, und die Mörder feuerten 14 Schüsse ab, zwei für jedes Opfer, ins Genick. Andreia überlebte, weil sich das Pulver einer Patrone nicht voll entzündete und die Kugel den Schädel nicht durchschlug, sondern unter der Haut steckenblieb.

Zwei der von Andreia als Mörder identifizierten Männer wurden bis Sonntag verhaftet. Die Polizei hofft, von den Mördern Interna über die Todesschwadronen zu erfahren, die — oftmals im Auftrag von Geschäftsinhabern — stehlende Kinder töten, weil diese von der Justiz wegen Strafunmündigkeit in der Regel stets wieder freigelassen werden. In Rio wurden allein in diesem Jahr rund 350 Kindermorde registriert.

Fernsehstar Xuxa erklärte, sie wolle Andreia alles geben, wozu sie in der Lage sei. Für eines jedoch müßten die Behörden sorgen, nämlich das Leben des Kindes durch Schutz zu garantieren, forderte Xuxa. Denn Andreia, die es wagte, ein Mordkommando zu denunzieren, schwebt in Lebensgefahr. Die Todesschwadronen wüten weiter.

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