: Wie verschuldet ist die Republik?
■ Haushaltsdebatte: SPD kritisiert „Schönfärberei“ der Regierung, Waigel „Schwarzmalerei“ der Opposition/ Steuermehreinnahmen senken Haushaltsdefizit/ Unzufriedenheit mit Subventionsabbau
Bonn (dpa/ap/taz) — Mit einem erneuten Schlagabtausch über die Haushalts- und Steuerpolitik der Bundesregierung hat der Bundestag die viertägige Schlußdebatte über den Bundeshaushalt 1992 begonnen.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Helmut Wieczorek, sah am Dienstag eine schwere Glaubwürdigkeitskrise der Bundesregierung. Die auf 45 Milliarden Mark verringerte Neuverschuldung sei nicht auf Ausgabenkürzungen, sondern auf die kräftiger sprudelnden Steuerquellen zurückzuführen. Zugleich werde die Neuverschuldung für die Treuhandanstalt, den Fonds Deutsche Einheit und andere Sondervermögen des Bundes im kommenden Jahr um 90 Milliarden Mark steigen. „Sie sind der größte Schuldenminister, den diese Republik jemals hatte“, kritisierte Wieczorek Bundesfinanzminister Waigel (CSU).
Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den bisherigen Subventionsabbau als „Flop“. Bis 1995 müßten die Verteidigungsausgaben halbiert werden. Auch der FDP-Experte Wolfgang Weng kritisierte, daß nicht hinreichend eingespart worden sei. Dazu gehörten auch die Subventionen.
Der SPD und dem Bündnis 90 hielt Waigel jedoch „Schwarzmalerei“ vor. Die staatliche Kreditaufnahme dieses Jahres betrage nicht 200 Milliarden Mark, wie immer wieder behauptet werde, sondern 135 Milliarden Mark. Darin enthalten seien nicht nur die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden, sondern auch die Finanzierung des Fonds Deutsche Einheit und des Kreditabwicklungsfonds, in dem die Schulden der ehemaligen DDR bis zur endgültigen Abwicklung zusammengefaßt sind. Wegen nicht ausgenutzter Vorratskredite von 1990 wurde der Kapitalmarkt in diesem Jahr bisher nur mit 27 Milliarden Mark beansprucht, sagte Waigel. Der SPD-Steuerpolitiker Joachim Poß wies die Rede als „selbstzufrieden und schönfärberisch“ zurück. Die gesamten Staatsschulden würden bis Jahresende auf 190 Milliarden Mark klettern.
Rüstungshaushalt bleibt unverändert
Der Bundeshaushalt 1992 soll um 2,9 Prozent auf 422 Milliarden Mark steigen und damit deutlich unter dem Anstieg des Bruttosozialprodukts bleiben. Die neuen Schulden sollen mit 45 Milliarden Mark um etwa 14 Milliarden Mark unter denen von 91 bleiben. Größter Einzeletat ist der des Arbeitsministerium mit 91,3 Milliarden DM; für Zinsen und Tilgungen erhalten Banken und die Besitzer von Bundesschätzchen rund 55,1 Milliarden, für Verteidigungsausgaben gehen unverändert 52 Milliarden drauf. Die SPD fordert, vier Milliarden davon einzusparen. „Im Etat sind überflüssige Mittel für überflüssige Projekte veranschlagt“, erläuterte der SPD-Haushaltsexperte Rudi Walther auf einem wehrtechnischen Seminar.
Als Nachtragshaushalt für 1991 billigte die Koalitionsmehrheit Ausgaben von 6,3 Milliarden Mark, wovon mit 4,9 Milliarden der Löwenanteil an die Bundesanstalt für Arbeit fließt. Weil an anderen Stellen 6,3 Milliarden Mark eingespart wurden, bleibt der 91er Haushalt in der Höhe unverändert. Da aber die Steuereinnahmen um 4,7 Milliarden Mark höher liegen, sank die Neuverschuldung 91 von 66,4 auf 61,7 Milliarden Mark. Wegen weiterer Einsparungen, so Koalitionsexperten, sei zum Jahresende mit rund 59 Milliarden DM Neuschulden zu rechnen.
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