piwik no script img

Die Inseln sind nun auch zu mieten

Rent a paradise: Über das eigentümliche Immobiliengeschäft des Hamburgers Farhad Vladi  ■ Von Randolf L. Faskei

Es muß ja nicht gleich die eigene Schatzinsel sein. Erst mal mieten ist auch ganz schön, dann läßt sich immer noch weitersehen. Der Hamburger Makler Farhad Vladi, der bislang Inseln nur verkaufte, steigt jetzt auch in das Inselmietgeschäft ein. Sein neuer Prospekt hat Verschiedenes zu bieten: für den Überlebenskämpfer, der für 9,90 Dollar pro Tag in Indonesien einen idealen Trainingsplatz erhält, aber auch für den Neureichen, dem eine dutzendstarke Dienerschaft für 7.000 Dollar täglich die feurigen Sonnenuntergänge auf seinem tropischen Eiland versüßt. Kommen die Inselmieter auf den Geschmack und wollen fortan ihre eigene Insel besitzen, dann hat Vladi sein Ziel erreicht. Der Mann mit dem kanadischen Paß und dem iranischen Namen erhält für die erfolgreiche Verkaufsvermittlung 8,5 Prozent Provision.

Eine ungewöhnliche Branche, in der das Unikum Vladi gewissermaßen als Monopolist gelten kann. Seine Kundschaft ist eher scheu und auf Abgrenzung bedacht, doch es hat sich herumgesprochen, daß Vladi zum Beispiel Didi Hallervorden oder Charles Heidsieck, bekannt durch den Edel-Schampus, zur eigenen Insel verholfen hat.

In Vladis Archivschubschränken existiert eine Inselwelt mit mehreren tausend Namen, von Patagonien bis Polynesien, von Neuengland bis Neuseeland. Porträts, in denen Größe, Flora und Fauna sowie Besitzverhältnisse eines jeden Objektes genau vermerkt sind. Wie kommt Farhad Vladi an die guten Stücke? Fast ein halbes Tausend Inseln hat er bereits verkauft, sie gehören sozusagen zum festen Bestand der Firma. Rück- und Weiterverkäufe sind keine Seltenheit. Doch auch Inseln, deren Eigentümer sich zumindest vorerst nicht von ihrem Besitz trennen wollen, sind schon einmal — vorausschauend — registriert. Ein Marktsegment, das mit freundlichen Erinnerungsschreiben („Sind Sie immer noch mit Ihrer Insel zufrieden?“) gezielt und sehr ausdauernd beackert wird.

Oft steigt Vladi selbst ins Flugzeug, grast die Küsten ab, eine Präzisionskarte in der Hand. Aus der Luft hält er Ausschau nach Inseln, die vom Festland her gut erreichbar sind, Inseln, welche Bootsstege, natürliche Häfen oder eine kleine Landebahn besitzen und vielleicht sogar über Strom- und Wasseranschlüsse verfügen. Ein Anwalt recherchiert dann anhand der Grundbucheintragungen, mit wem über einen eventuellen Verkauf zu verhandeln ist.

Kokospalmen-Romantik — in der Karibik, dem Indischen Ozean oder der Südsee — ist bei Vladis Kundschaft weit weniger gefragt als ein Eiland in gemäßigtem Klima. Da geben sich die Nordhemisphärler konservativ. Zyklone, Haie oder Malaria-Mücken schrecken die meisten Freizeitinsulaner ab. Zudem sind sie selten bereit, sich auf die Mentalitätsunterschiede in Äquatornähe einzustellen. So macht denn Farhad Vladi seine größten Umsätze in Kanada und den USA. Unversehrte Natur, ein sommerlich warmer Bade- und Angelsee, die eigene Blockhütte umgeben von einem Wäldchen — so etwa träumt der Durchschnittskunde vom persönlichen Paradies.

Vladi betont stets, daß es Kundschaft aus allen Gesellschaftsschichten sei, die sich mit ihren Inselwünschen an das Vermittlungsbüro nahe der Hamburger Innenalster wendet. Das mag übertrieben sein. Dennoch dürften nicht allein Medienstars und Geschäftsleute mit sieben- oder achtstelligen Kontoauszügen zu seiner Klientel zählen. Legt man die Eigentumswohnung zugrunde, das Laubengrundstück, die Lebensversicherung und einige Bausparverträge plus durchaus verbreiteten Sachwerten — von der Untertürkheimer Limousine bis zum ererbten Familienschmuck —, dann bevölkern sicher hunderttausende potentielle Käufer die Bundesrepublik. Das sind keineswegs nur die vielzitierten Professoren, Ärzte und Rechtsanwälte.

Und Herr Vladi hat ja weit Billigeres zu bieten als das vier Millionen Dollar teure Südsee-Atoll Nukutipipi mit seinen 900.000 Quadratmetern. Da gibt es Inseln in seinem Verkaufsprogramm, die, wie er sagt, „genauso viel kosten wie ein guter Mittelklassewagen“. Wer sich die Mühe macht und die Quadratmeterpreise von Vladi Private Islands genau ausrechnet, kommt schnell drauf, daß sie oftmals nur ein Zehntel von dem betragen, was in Mitteleuropa für ein Stückchen Grund und Boden hinzublättern ist. „Eine Insel ist die bessere, weil billigere Immobilie“, könnte Vladis Werbeslogan lauten, wäre er weniger dezent.

Das Insel-Busineß ist ein Geschäft von Banker-Zuschnitt, verschwiegen nämlich. Deshalb läßt sich kaum herauskriegen, ob in Vladis unüblichem Gewerbe nur eitel Sonnenschein herrscht, oder ob es da etwa auch mal Probleme mit alteingesessenen Inselbewohnern gibt, die sich durch den meistens tausende Kilometer entfernten Verkaufsdeal übergangen fühlen? Normalerweise ersteht der Hamburger Makler seine Ware von privaten Vorbesitzern. Die Objekte werden in aller Regel „leer“ übergeben, eine Vertreibung von „Eingeborenen“ steht nicht an. Allenfalls, so kann man von Herrn Vladi hören, sind mal ein paar Fischereirechte berührt; bisher sei es aber immer zu einer gütlichen Einigung gekommen. Revoltierende Altinsulaner wären auch die denkbar schlechteste Werbung für den hanseatischen Immobilienhändler.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen