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Die vergessenen Massensüchte

■ Suchtkrankenhelfer tagten / Alkoholismus noch immer tabuisiert

Wenn in den Medien von „Sucht“ die Rede ist, dann fast immer von der nach illegalen „Drogen“ - jedeR einzelne „Drogentote“ wird aufgeführt und durchnummeriert — oder der nach „Spielen“. Gestern waren in Bremen SuchtberaterInnen versammelt, die es vorrangig mit den Süchten zu tun haben, die viel tabuisierter sind: Auf einen Drogenabhängigen kommen zehn Medikamentenabhängige (vorwiegend Frauen) und dreißig Alkohlkranke. Anders ausgedrückt: Im gesamten Bundesgebiet leben 2,5 Millionen AlkoholikerInnen — im Vergleich zu 80.000 Drogenabhängigen. Das gestrige Treffen hielt der „Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk“ der evangelischen Kirche ab. Der Verband umfaßt 300 ambulante Beratungs- und Behandlungsstellen sowie Fachkrankenhäuser und auch Selbsthilfegruppen.

In den letzten Jahren hat die Zahl der hilfesuchenden KlientInnen um 40 bis 50 Prozent zugenommen. Das führen Verbandsmitarbeiter nicht ausschließlich auf das Ansteigen der Suchtkranken zurück, sondern auch darauf, daß zunehmend auch Angehörige um Rat nachfragen und sich therapeutisch begleiten lassen. Mit der Zunahme der KlientInnen hat der Personalschlüssel der Beratungsstellen nicht Schritt gehalten. In der Großstadt Bremen beispielsweise gibt es nur eine Beratungsstelle mit nur drei hauptamtlichen therapeutischen Beratern. Der Leiter der Bremer Einrichtung, Erich Kurz: „Wir müßten mindestens das fünffache haben.“ Noch schwieriger sei die Situation in der ehemaligen DDR. Die kirchlichen Selbsthilfestrukturen seien nach der Vereinigung ganz zusammengebrochen, für den Neuaufbau fehle es an Geldern. Gleichzeitig nähmen in Ostdeutschland Kündigungen wegen Alkoholismus zu.

Der Geschäftsführer des Verbandes, Knut Lehmann, setzte sich für eine stärkere, auch finanzielle Anerkennung der Mitarbeit in Selbsthilfegruppen ein. Der Gesamtverband versuche desweiteren Einfluß auf ein Bonner Gesetzgebungsverfahren zu nehmen. Denn ein Zeugnisverweigerungsrecht sei nicht nur nötig — wie vorgesehen — für DrogenberaterInnen, sondern für alle SuchtberaterInnen in anerkannten Einrichtungen (also auch für diejenigen, die Alkoholkranke, Medikamenten- und Spielsüchtige vertrauensvoll beraten wollen).

B.D.

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