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Ein Hirte mit grundehrlicher Haut

■ Prorektor Ulrich Reinisch über den populärsten und unbequemsten Rektor Deutschlands: Heinrich Fink

taz: Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt geglaubt, daß die Vorwürfe gegen Heinrich Fink stimmen könnten?

Ulrich Reinisch: Nein. Daß irgendwas in Vorbereitung war, haben wir eher gespürt, denn gewußt. Aber es gab aus der Zusammenarbeit mit Herrn Fink in anderthalb schwierigen, bisweilen dramatischen Jahren keinerlei Ansätze, so etwas auch nur zu denken.

Warum nicht?

Trotz Meinungsverschiedenheiten zu einigen Sachfragen habe ich Herrn Fink immer menschlich erlebt. Seine Reaktionsweise war zutiefst anständig. Er ist wie ein Hirte, der sich persönlich verantwortlich fühlt für jedes Mitglied seiner Herde, einschließlich der schwarzen Schafe darin. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß Herr Fink jemals anders gewesen war. Trotzdem weiß ich, daß er als Sektionsleiter Theologie oder in der Synode Konflikte hatte und Kompromisse machte.

Die Universitätsleitung tagt ununterbrochen. Gibt es Ergebnisse?

Es hat verschiedene Gespräche gegeben, vor allem zwischen Fink und seinen Anwälten. Das sauberste für Herrn Fink und uns wäre eine gerichtliche Klärung.

Stehen die Prorektoren geschlossen hinter ihm?

Das haben alle erklärt. Das Vertrauensverhältnis zu Herrn Fink ist durch die dürftigen Beweise, die keine sind, nicht gebrochen. So schnell sind wir nicht zu erschüttern. Sollte der Vorwurf aber bestätigt werden, was hier niemand annimmt, dann befürchte ich, selbst in eine moralische Krise zu fallen.

Es wird behauptet, Finks Äußerungen seien das übliche Verteidigungsritual Stasi-Verdächtigter.

Die Fälle Böhme oder de Maizière sind grundverschieden. Während Ibrahim Böhme wohl am Ende nicht mehr wußte, ob er sich selber bespitzelt, kann ich de Maizières Fall überhaupt nicht mehr überblicken. Ich bin verwirrt in dieser Sache. Man muß es mir schon schwarz auf weiß widerlegen, daß Fink die grundehrliche Haut ist, für die ich ihn halte. Fink paßt mit seinem Menschlichkeitsbild nicht so recht zum Ende des 20. Jahrhunderts. Entweder sind seine moralischen Maßstäbe aus einer vergangenen oder aus einer zukünftigen Zeit.

Falls sich Erhardt mit der Kündigung durchsetzen wird, wie würden Sie als Prorektor reagieren?

Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen. Ich habe vage Ideen, die anderen Prorektoren auch.

Müßte man nicht nach einem solch schnellen Verurteilen einer Person erneut über den Umgang mit den Informationen aus der Gauck- Behörde diskutieren?

Diese ist natürlich heute die mächtigste Behörde in Deutschland. Sie kann alles — Minister stürzen, Parlamente lahmlegen, tief in das öffentliche Bewußtsein eingreifen. Es stellt sich die alte Frage: Wer kontrolliert die Kontrollierer. Ich bin mir nicht sicher, ob das politische Bewußtsein der Leute, die dort arbeiten, adäquat angesichts ihrer unerhörten Macht ist. Sie sagen doch: Mit den Entscheidungen haben wir nichts zu tun. Die Behörde muß aus dieser Verantwortung, aus dieser Macht heraus auch ein eigenes Ethos entwickeln. Daß sie jetzt auf jeden Fall ihre Löcher stopfen muß, ist klar, denn daß schon Wochen vorher Dinge in der Presse kursieren, ist ein Skandal. Interview: Anja Baum

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