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Golfkrieg fordert seinen Tribut

■ Schwere Zeiten sind für die französischen Print-Medien angebrochen

Paris (dpa/vwd) — Mehr als ein halbes Jahr nach seinem Ende leidet die französische Presse noch immer an den Folgen des Golfkrieges. Marktkenner halten es für möglich, daß die eine oder andere Zeitung mit Verspätung doch noch dem anhaltenden Blutverlust erliegen wird. Meistgenannter Kandidat: der rechtsgerichtete 'Quotidien de Paris‘.

Die Zeitungen und Zeitschriften hatten über das Kampfgeschehen mit teuren Teams berichtet. Gleichzeitig brach jedoch das Anzeigengeschäft ein, weil Couturiers und Autohersteller ihre Produkte nicht neben bluttriefenden Kriegsberichten plazieren wollten. Die Bürger hielten sich auf dem anzeigenträchtigen Immobilienmarkt zurück. Viele Zeitungen haben Stellen gestrichen, und alle erhöhten die Preise.

Am schlimmsten traf es den 'Quotidien‘, der wochenlang mit stark gekürzter Seitenzahl erschien und 33 von 74 Journalisten entließ. Denn das rechte Blatt, das weniger als 30 Prozent seiner Umsätze mit Anzeigen deckt, büßte 1990 fast ein Drittel der Anzeigeneinnahmen ein.

Am anderen Ende des politischen Spektrums kämpft die 'Humanité‘ mit der Gründung von Regionalbeilagen ums Überleben. Das anzeigenarme KP-Organ, das schon 1990 seine Auflage um elf Prozent auf 82.000 schrumpfen sah, kann spätestens seit dem gescheiterten Putsch die „Soli-Abos“ aus der UdSSR abschreiben. Pessimisten malen bereits ein Schicksal wie das des 1988 eingestellten sozialistischen 'Matin‘ an die Wand.

Selbst die Goldgrube 'Le Figaro‘, die jahrelang fast alleine schwarze Zahlen schrieb, ließ 1991 dezent einige Beilagen ausfallen. Zwar kann ein Anzeigenverlust von 15 Prozent dem Flaggschiff des Hersant-Konzerns kaum etwas anhaben. Das Blatt ist aber auch ein Rückhalt für andere, teils notleidende Konzernorgane wie 'France Soir‘ und 'Nord Eclair‘.

Nicht besser geht es der ob ihrer Unabhängigkeit vielgepriesenen 'Le Monde‘. Das nach hohen Investitionen in modernste Drucktechnik überschuldete Blatt hatte schon 1989 bei 1,2 Milliarden Franc Umsatz 40 Millionen Franc Verlust geschrieben. Im Frühjahr akzeptierte die Redaktion erstmals den Abbau von 200 Stellen und einen Ökonomen als Chef.

Daß höhere Umsätze nicht mehr Gewinn bedeuten, mußte selbst das Wirtschaftsblatt 'Les Echos‘ (Auflage: 87.000) erleben: In der Golfkrise expandierte das Geschäft zwar um 6,7 Prozent (auf 580 Mio. Franc), doch der Ertrag fiel um 14,7 Prozent (auf 110 Mio. Franc).

Generell weisen die Umsätze nach unten, weil der Kriegsboom den langfristigen Abwärtstrend bei den Auflagen nur kurzfristig unterbrochen hat und die Rezession zu hohen Rabatten bei Anzeigen zwingt. Auf der Kostenseite haben es die Verlage aber bisher nicht geschafft, ein kundenbindendes Abonnementsystem zu entwickeln und sich vom unsicheren und teuren Kioskvertrieb unabhängig zu machen. Da wirken auch die direkten Staatshilfen von 200 Millionen Franc kaum mehr als ein Trostpflaster.

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