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Kommt das Ende der Klappe?

■ Erste vollautomatische »City-Toilette« in Friedrichshain eingeweiht/ Schwulenszene beklagt die Enge des Ortes/ Nach 15 Minuten öffnet sich die Tür von allein

Berlin. Die Berliner können ihre dringenden Bedürfnisse jetzt vollautomatisch erledigen: Eine neue Toiletten-Ära ist angebrochen. Vor dem Rathaus des östlichen Stadtbezirks Friedrichshain wurde jetzt die »erste automatische Toilette Berlins« eingeweiht. Mit 50 Pfennig ist der Bedrängte dabei. Von einem Mikrochip gesteuert öffnet sich die Tür, gleichzeitig werden Beleuchtung, Belüftung und Musik eingeschaltet. Hat der Benutzer sein Geschäft erledigt, reinigt und desinfiziert sich das postmodern gestylte »Stadtmöbel« selbst. Dem Vergnügen ist eine Frist gesetzt — nach 15 Minuten öffnet sich die Tür von allein.

Rund 100.000 Mark kostet ein Selbstreinigungsklo, von denen die Aufstellerfirma »Wall Verkehrsanlagen« dem Bezirk zunächst zwei kostenlos zur Verfügung stellt. Er finanziert die »City-Toiletten« mit der Vermietung von Werbeflächen, deren Aufstellung ihm Friedrichshain im Gegenzug genehmigt hat. Bis zum Jahresende will er so zehn neue Litfaßsäulen, zehn Fahrradständer und ein »Stadtabfallbehältersystem« aufstellen. Für das kommende Jahr plant die Firma Wall eine Ausbreitung auf das gesamte Stadtgebiet. »Wir wollen die rund 200 öffentlichen Toiletten von der Stadtverwaltung übernehmen«, kündigte Juniorchef Daniel Wall an. In einem Zeitraum von fünf Jahren sollen dann 500 automatische WCs aufgestellt und ein Teil der bestehenden Einrichtungen geschlossen werden. Die jährlichen Kosten für die Bedürfnisanstalten könnten so von derzeit 25 Millionen auf 19 Millionen Mark gesenkt werden.

Der Leiter der zuständigen Abteilung der Verkehrsverwaltung, Jürgen Schöning, sieht jedoch rechtliche Probleme. Schon beim Bau von Wartehäuschen an Bus- und Straßenbahnhaltestellen, die die Firma Wall im Austausch gegen die Nutzung der Werbeflächen ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt hatte, habe sich der Rechnungshof gemeldet. Die Behörde hatte kritisiert, daß die Verkehrsbetriebe damals keine vergleichenden Angebote eingeholt hatten.

Und von dem technischen Wunder »City-Toilette« sind längst nicht alle begeistert. Die Aufenthaltsfrist, aber auch die Enge haben in der Schwulenszene bereits vor der Einweihung zu Protesten geführt. Während die liebevoll »Café Achteck« genannten Pissoirs aus der Gründerzeit Gelegenheit für Lust und Liebe boten, seien »diese Toiletten zur Befriedigung unserer Bedürfnisse nicht geeignet«, klagte der schwule Bezirksabgeordnete Mirko Adam (CDU) in der Presse. In autonomen Kreisen denke man unter dem Motto »Wir lassen uns nicht die letzten schwulen Freiräume vom Staat rauben« gar an die Besetzung alter WC-Häuschen. Katja Räther/dpa

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