Neue Weltordnung heißt mehr Kriege

Ein Gespräch mit dem Schweizer Ethno-Psychoanalytiker Paul Parin über Jugoslawien, den Kommunismus und den neuen deutschen Nationalismus  ■ Von Willi Winkler

taz: Herr Parin, Sie waren 1944/45 bei den Partisanen: Wer hat recht im jugoslawischen Krieg, die Serben oder die Kroaten?

Paul Parin: Darauf kann es nur falsche Antworten geben. Vor kurzem erklärte der kroatische Politikwissenschaftler und Philosoph Zarko Puhovski, man müsse klar trennen zwischen den Bemühungen um einen Waffenstillstand und dem Versuch, einen Frieden zu errichten. Für einen Waffenstillstand brauche es keine große historische Perspektive; die könne man erst bei Friedensverhandlungen in Betracht ziehen. Vielmehr müsse man jeder Partei das geben, worauf sie Anspruch hat oder zu haben glaubt: vor allem der Armee eine Sicherung ihrer Positionen. Dann natürlich Verhandlungen mit kompetenten internationalen Personen — nicht mit einer vorgeschobenen Figur wie Lord Carrington —, zu denen man dann auch militärische und politische Machthaber und die verschiedenen Bandenführer hinter den beiden Chefs Tudjman (Kroatien) und Milosevic (Serbien) einlädt. In diesen Verhandlungen dürfte nichts endgültig bestimmt werden, die alten Grenzen sind als vorläufige zu bezeichnen. In einem zweiten Schritt wären dann etwa Blauhelme zu postieren.

In meinen Augen hat niemand das Recht, einen Krieg anzufangen. Ich bin insofern Pazifist, als ich jeden Krieg für sinnlos und grausam ansehe, insbesondere wenn es sich, wie es die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in allen Republiken meint, um einen Krieg der Politiker und Generäle handelt und nicht um einen Volkskrieg. Abgesehen natürlich von einigen fanatischen Banden, den Cetniks auf der serbischen Seite und den Ustaschi auf der kroatischen, die im Lauf der Feindseligkeiten aus dem Ausland eingeflogen wurden.

Wie darf sich denn der verwirrte Laie die Entstehung des Konflikts vorstellen?

Die Entwicklung der Ereignisse muß man wenigstens von 1984 herleiten. Da gelang es Slobodan Milosevic, einem ehemaligen Bankdirektor und Kommunisten, mit demagogischen Mitteln die serbische Partei hinter sich zu bringen. Wie es solche machthungrigen Politiker zu tun pflegen, suchte er sich einen Sündenbock und fand die albanisch sprechenden Bewohner der autonomen Provinz Kosovo. Das hat zu einer vollständigen Enthauptung eines Volkes geführt, nämlich jener Albaner, die in Kosovo wohnen. Diese Niederschlagung recht bescheidener nationaler Aspirationen war der erste Schlag; als nächstes war Kroatien dran.

In Kosovo hat es mit einem Straßenmassaker angefangen. Die letzte mir bekannte Meldung lautet, daß sie 6.000 Lehrer entlassen haben, weil sie es gewagt haben, weiter in albanischer Sprache zu unterrichten. Die Universität wurde geschlossen, die Ärzte sind verschwunden und durch serbische ersetzt worden. Das ging einher mit einer Entmachtung der herrschenden Schicht in der Wojwodina und einem staatsstreichähnlichen Regierungswechsel in Montenegro. Danach hatte Serbien im Staatspräsidium plötzlich drei Stimmen, obwohl von der 1974er Verfassung vorgesehen war, daß Serbien nicht ohne die beiden ethnisch vollkommen anders beschaffenen Landesteile agieren könne. So hatten die anderen Republiken ein Beispiel dafür, wie es ihnen ergehen würde. Die Verfassung war praktisch außer Kraft gesetzt.

Demnach haben die Serben angefangen?

Der erste wirklich blutige Angriff ging von lokalen Gruppen in der Lika, jetzt Kraine, aus. Von seiten der dort lebenden serbischen Bevölkerung, die in diesem Gebiet die Mehrheit hat, kam es zu ersten Greueltaten an der Zivilbevölkerung. Der erste Großangriff im Juli aber ging gegen Slowenien; auf die Ankündigung der Unabhängigkeitsbestrebungen Sloweniens hin, das damals eine Konföderation anstrebte, marschierten etwa 120 Panzer auf. Slowenien betrieb keinerlei chauvinistische Politik, dennoch gab es einen Angriff, der, überraschend genug, militärisch beantwortet und abgewehrt wurde.

Aber wer ist schuld? Ich zitiere Zarko Puhovski: „Wenn ein Land von einer starken Armee überfallen wird mit der Gefahr, Teile seines Gebietes zu verlieren, würde es sich wohl immer verteidigen.“ Daß diese Verteidigung dann mit Hilfe der militantesten Kräfte organisiert wird, ist auch verständlich. Das Schicksal Albaniens vor Augen und das, was Slowenien erwartete, im Kopf, besteht die Schuld der Kroaten allein darin, daß sie — wie alle übrigen Republiken — schon im Falle Albaniens nicht protestierten, sich nicht zusammenschlossen. Sie haben, wie alle anderen fünf Republiken, gewartet, bis sie selber drankamen — um dann nationalistisch zu reagieren. Die Fiktion eines einigen Jugoslawiens: das ist heute nur noch ein Festhalten an der jugoslawischen Armee, der letzten funktionierenden staatlichen Organisation Jugoslawiens.

Nun gab es schon vierzehn Waffenstillstände, der Frieden ist in weiter Ferne. Offenbar braucht es eine unabhängige Macht, die eingreift.

Zuallererst müßte jemand den Waffenstillstand wirklich wollen. Ein Diplomat mag alt und verkalkt sein — aber mit den gleichen Parteien vierzehnmal dasselbe zu vereinbaren, mit Parteien, die sich als Marionetten erwiesen haben, ist ja wohl ein Witz. Mit Ausnahme von Genscher und einigen Stimmen aus Österreich will doch niemand, daß aus Jugoslawien etwas anderes wird als ein Zusammenhalt in Form einer Diktatur. Und dieser Waffenstillstand, den Puhovski im Auge hatte, wäre der Versuch, auf neutralem Boden — er sagte Lausanne, ich sagte Genf, weil es dort komfortable Institutionen gibt, Bordelle, in Lausanne aber nicht — jene Leute einzuladen, die wirklich wichtig sind. Zum Beispiel den serbischen Generalstabschef Ajiz, dessen Verteidigungsminister eine vorgeschobene Figur ist; zum Beispiel Vertreter der Opposition in all diesen Ländern; zum Beispiel die Basisbewegungen der Mütter und Väter in Belgrad, die kurzfristig Macht hatten, die sie leider nicht genutzt haben. Aber Europa hat kein Interesse an nationalen Abspaltungen — denken Sie an das Korsenproblem, an die Basken, die Nordiren. Man kann doch nicht im Ernst annehmen, daß die Waffenstillstandsverhandlungen auf der diplomatischen Ebene tatsächlich auf der Beendigung des Krieges gelten...

Was sollte die EG denn tun? Die abgefallenen Republiken anerkennen?

Das sollte sie allerdings, aber dafür ist es viel zu spät. Bei Slowenien dauerte die Vorwarnzeit zwei Jahre. Man wollte das nicht verstehen. Man will noch immer nicht.

Was halten Sie von Peter Handkes Plädoyer für eine Einheit Jugoslawiens, seinem „Abschied des Träumers vom Neunten Land“?

Handke ist ein Träumer. Er behauptet, Slowenien habe den Krieg herbeigeredet. Und er behauptet auch, die Slowenen würden nur ihre Nationaldichter lesen, nur um ihre eigene Kultur kreisen. Wer einmal in einer kleinen Leihbibliothek war, zum Beispiel in Scalek, einem kleinen slowenischen Dorf, trifft dort auf die beste Zusammenstellung amerikanischer Literatur, die ich kenne, auf zahlreiche psychoanalytische Schriften... Der Träumer hat geträumt oder gelogen. Er ist politisch nicht nur naiv, sondern auch kontraproduktiv, und er ist unverantwortlich.

Hat der Konflikt nicht schon 1918 begonnen, mit dem Ersten Weltkrieg?

Die Gründung Jugoslawiens war — wie fast alles, was aus dem Krieg hervorgeht — ein politischer Fehler. 1929 wurde das Parlament aufgelöst, die Regierung war von da an eine Generalsjunta. Der bedeutendste kroatische Politiker wurde im Parlament erschossen, drei weitere verletzt; die kroatischen Politiker gingen nicht mehr ins Parlament. Da hieß es von serbischer Seite, diese Kroaten sind doch feige, nicht mal ins Parlament trauen sie sich mehr... Der gesamte Verwaltungsapparat Sloweniens war, mit Ausnahme der Justiz, serbisch besetzt. Tito und seine Partei haben dieses falsche Konzept für Jugoslawien übernommen, nationale Gegensätze wurden totgeschwiegen. Es gab Kriegsgerichtsprozesse deshalb.

Also ein von oben verordneter Antinationalismus?

Vollkommen. Eine sehr fähige Operationsschwester, eine Montenegrinerin, fluchte einmal in völlig erschöpftem Zustand vor sich hin, als abends um neun Uhr noch albanische Patienten zu behandeln waren: „Diese verdammten Skipetaren.“ So nennen sich zwar die Albaner selber, aber in serbisch sprechenden Gebieten gilt diese Bezeichnung als abfällig. Am nächsten Morgen stand diese Schwester vor einem Kriegsgericht, eine verdiente Frau, Kommunistin schon vor dem Krieg. Es ist ihr nichts passiert, ich habe einen ungeheuren Krach geschlagen. Aber so etwas gab es.

Jetzt komme ich als Psychologe zu Wort: Das geistige Klima in Jugoslawien war schon seit Ende der siebziger Jahre ziemlich liberal. Die Presse durfte über Mängel im selbstverwalteten Sozialismus schreiben. Es gab nur ein Tabu: die Massenmorde von serbischen Nationalisten an kroatischen und von kroatischen Nationalisten an Serben. Es hieß, man solle keine vernarbten Wunden aufreißen, aber das ist Oberflächenpsychologie. Daß dieses gräßlichste Stück Vergangenheit nicht besprochen, nicht verarbeitet werden durfte, halte ich für psychologisch schlimm. Das hat es verunmöglicht, bei den demagogischen Angriffen von Serbien auf Kroatien und umgekehrt zu sagen: Das habe ich längst bedauert. Niemand hat es bedauert, weil es nicht besprochen werden durfte.

Und jetzt wird es gewaltsam bereinigt...

Jetzt sollten verschiedene Vergangenheiten wiederhergestellt werden. Zum Beispiel hat Tudjman, der wie alle rechten Politiker keine Stimmen auf der äußersten Rechten verlieren will, das alte kroatische Wappen wieder eingesetzt. Dabei hat er es verabsäumt zu sagen, daß dieses Wappen dreieinhalb Jahre durch eine faschistische Bande, die von der Besatzungsmacht eingesetzt war, beschmutzt und mißbraucht worden ist. Und jetzt wollen wir das bereinigen. Erst heute, am 27. November, hat er sich in einer Rede gegenüber der äußersten Rechten abgegrenzt und einen Bandenführer verhaften lassen. Der natürlich sofort erklärte, er würde von jetzt an Tudjman bekämpfen.

Warum haben Sie sich 1944 freiwillig zu den jugoslawischen Partisanen gemeldet? War das bei allem Pazifismus nicht auch selbstzerstörerisch?

Vielleicht muß man verrückt sein, um in diesem Jahrhundert für Freiheit und Sozialismus einzutreten; damit steht man immer auf der schwächeren Seite. Aber wir haben in der Schweiz den grauenvollen Aufstieg des Nationalsozialismus aus nächster Nähe miterlebt. Ab 1938 konnten wir sehen, wie die Schweiz Juden zurück ins „Dritte Reich“ schickte, wo sie ab 1942 mit Sicherheit und davor mit großer Wahrscheinlichkeit vernichtet wurden. Ich hatte mein Studium abgeschlossen, wir waren jung, hatten nicht viel Geld und waren voller Lebensfreude.

So arg todessüchtig ging es da nicht zu. Wir lebten im Frieden, und um uns herum waren Krieg und Vernichtung. Wir wußten nichts von den Gaskammern, aber wir wußten, daß es Konzentrationslager gab, das war allgemein bekannt. Wir machten Flugblätter gegen den Krieg und gegen die Schweizer Politik, die sehr vorsichtig und voller Vorleistungen für das „Dritte Reich“ war. Zum Beispiel lieferte die Schweiz massive militärmedizinische Hilfe, organisiert von einem berühmten Schweizer Obernazi, dem Chirurgen Eugen Bircher.

Für junge Leute war es ein gleichzeitig politischer und humanitärer Entschluß: Man muß doch auf die andere Seite und etwas tun! Die Alliierten, die uns beim Transport halfen, haben das auch so begriffen. Es war doch merkwürdig, daß die humanitäre Tradition der Schweiz ausschließlich dem Hitlerreich zukommen sollte. Wir sind dann die einzige Mission geblieben. Das Schweizer Rote Kreuz, auch die internationale Dachorganisation, hätte uns wegen des Übergewichts der faschistischen Länder in Europa niemals als Sanitätsgruppe nach Jugoslawien gehen lassen.

Zum Glück hatte ich mich auf die Chirurgie spezialisiert, und so war das die Lösung; da konnte man endlich etwas Sinnvolles tun. Die Tatsache, daß ich in Slowenien geboren bin und dort aufgewachsen bin, hatte damit recht wenig zu tun. In der Schweiz waren viele jugoslawische Flüchtlinge, meist Arbeitssklaven,

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die aus Deutschland geflohen waren. Schon vor dem Krieg besaß Jugoslawien sehr wenig Ärzte, und die Nazis töteten die Intellektuellen, Ärzte, Apotheker, Lehrer. Außerdem wurden die Partisanenhospitäler besonders verfolgt. Dafür gab es Sondereinheiten, die mit Polizeihunden suchten, um dann im Hospital alle zu massakrieren. Damit sollte die Armee demoralisiert werden.

Als wir hingingen, hat uns die Schweiz alle Schwierigkeiten gemacht, die sie nur aufbieten konnte, aber als wir zurückkamen, lieferten wir ihnen den Beweis, daß sich die Schweiz wenigstens humanitär auf die richtige Seite geschlagen hatte.

Verwundet wurde von unserer Gruppe dann nur Gustl, der Bruder meiner Frau. Der ritt mit seinem Pferd nach vorn, um nach möglichen Verwundeten zu suchen. Das Pferd wurde von einer Maschinengewehrsalve erwischt, und er stürzte mit ihm einen steilen Abhang hinab und erlitt einen schweren Knochenbruch. Aber wir waren im befreiten Gebiet, außer vom Flecktyphus nicht gefährdet.

Wie bewertet der Ethno-Analytiker die rechtsradikalen Anschläge in der Bundesrepublik?

Das ist der neue Nationalismus.

Nach Ansicht von Michael Rutschky (taz vom 8. Juli, d.R.) handelt es sich dabei — zumindest was die neuen Bundesländer betrifft — möglicherweise um eine „antiautoritäre Revolte von rechts“.

Das ist eine schöne literarische Idee. Ganz abwegig ist sie nicht, denn jede Generation, die in autoritären Familien oder einem autoritären Staatsverband aufwächst, entwickelt einen nicht immer zweckmäßigen Drang nach Freiheit. Es handelt sich da nicht einfach um ein Reservoir, und dann kommt's raus wie der Geist aus der Flasche; es handelt sich vielmehr um eine Folge von Prozessen. Der eine Prozeß ist das Ungültigwerden von Regelsystemen, das Zusammenbrechen familiärer und anderer Regeln und Wertesysteme. Das ist in der DDR sicher der Fall. Für den Westen dagegen kann man den Begriff Entfremdung fast nicht vermeiden. Das sind auch Menschen, die für ihr Leben keine gültigen Ziele haben. Besonders dann, wenn sie ihre Konsumziele schon erreicht haben: das Auto, den Fernseher, den Videorecorder und Reisen in die Karibik schon mit zwanzig.

Die größere Rolle spielt für mich aber bei Hoyerswerda und den folgenden Vorfällen die Suche der Parteien und Regierungen nach einem neuen Feindbild, nachdem der Kommunismus abgewirtschaftet hat. Die Völkerwanderungen, die im Augenblick tatsächlich stattfinden, von der dritten in die erste Welt, von den Habenichtsen zu den Besitzenden, werden zu einer „bedrohlichen Welle“, einem „Brand, der sich ausbreitet“, umfunktioniert. Früher war der Kommunismus die „Gefahr, die auf euch zukommt“. In der Schweiz hatten wir einen eigenen riesigen Geheimdienst ausschließlich zur Bekämpfung des Kommunismus. Damit wurde die Anlage von 900.000 Dossiers gerechtfertigt. Und jetzt drohen halt die Emigranten.

Unser Justiz- und Polizeiminister Koller wurde nach dem 24. und vor dem 25. Brandanschlag, der in diesem Jahr in der Schweiz auf ein Asylantenheim verübt wurde, befragt. Er war pflichtschuldig empört und meinte, die Polizei sollte einschreiten (was sie nicht tut), die Gerichte sollten sich darum kümmern (was sie lässig tun), dann fuhr er fort: Man brauche aber keine Sorge zu haben, denn er werde sich der Sache annehmen, er werde das nicht dulden — aber da meinte er keineswegs die Brandanschläge, sondern die hereinströmenden Emigranten. Damit hat Koller eigentlich das gleiche gesagt wie einer der Brandstifter, der sich gestellt hat: „Das ist die große Gefahr, und wir wollen sie einfach mal ausräuchern, dann werden sie schon wegbleiben.“

Also doch eher eine Jugendrevolte und nicht etwa nationalistische Umtriebe?

Das sind Jugendliche — und damit komme ich wieder zu Rutschky zurück —, die rebellieren und die das ideale Setting vorfinden, indem sie gegen Ruhe und Ordnung und Polizei rebellieren können und gleichzeitig der Billigung einer schweigenden Schicht der Bevölkerung — ich weiß nicht, ob es die Mehrheit ist — sicher sein können. Und das ist wahnsinnig verführerisch.

Ich habe nicht einmal den Eindruck, daß sie besonders grausam sind. Denn sie haben nur einmal ein paar Leute verbrannt, weil das Zeug zu brennen angefangen hat. Sie wollen die Flüchtlinge vertreiben, nicht vernichten. Die Möglichkeit eines jeden Volkes, das Fremde zu unterscheiden und es unter Umständen als minderwertig und gefährlich anzusehen, macht sich die Ausländerpolitik zunutze. Das ist jetzt reif geworden, ein Feindbild ist nötiger denn je.

Die neue Weltordnung hat uns als erstes den Golfkrieg beschert. Ich fürchte, daß diese neue Weltordnung mehr Kriege produzieren wird als die alte. Wir stehen vor der Aussicht auf Kriege am Rande der EG, die sich immer mehr in eine Festung verwandelt. Die Völker fühlen sich doch geradezu herausgefordert, um ihren Platz an der Sonne zu kämpfen. Die Atomaufrüstung hat inzwischen mehr Länder erfaßt, deshalb ist der Frieden nicht sicherer geworden.

Was bleibt einem Sozialisten nach der Perestroika noch an Utopie?

Selbstverständlich konnte ich nicht erwarten, daß es in Osteuropa zu diesem klaglosen Zusammenbruch kommen würde. Ebensowenig konnte ich erwarten, daß es einen so genial begabten Politiker wie Gorbatschow geben könnte, der einen völlig anderen Stil in die Politik gebracht hat. Für mich war das deshalb keine Enttäuschung, zumal diese Änderungen ohne viel Blutvergießen abgingen.