Neues Futter für die Tauben

■ Das Autobahn-Beschleunigungsgesetz passiert den Bundesrat

Neues Futter für die Tauben Das Autobahn-Beschleunigungsgesetz passiert den Bundesrat

Die Betonmischer können schon mal angeworfen werden. Mit der Zustimmung des Bundesrates zum heftig umstrittenen Beschleunigungsgesetz ist der Weg frei zur Planierung von 8.000 Kilometern Bundesfernstraße und Autobahn. Das „Ja“ von Rheinland-Pfalz und seinem jungdynamischen Landesfürsten Rudolf Scharping (das ist der, der in den Wahlspots immer so ökobeseelt auf dem Fahrrad durch die bunte Natur radelte) gab den Ausschlag für den Betonkurs.

Mit dem Beschleunigungsgesetz werden eine Reihe ökologischer Bürgerrechte außer Kraft gesetzt. Was sich Natur- und Umweltbewegung in 20 Jahren mühsam erstritten haben, wollen die Bleifuß-Strategen auf dem ohnehin überladenen Altar der deutschen Einheit opfern. Ohne sechsspurige Rennpisten kein Aufschwung. Wozu brauchen wir da noch Umweltverträglichkeitsprüfungen, wozu Gerichte, Bürgeranhörungen, Einspruchsrechte und die Mitsprache von Naturschutzverbänden? Die Leute sollen endlich begreifen, daß sie Natur und Umwelt erst dann richtig genießen werden, wenn sie sie mit dem Auto auch besuchen können.

Aber ernsthaft: Durch den Sofortvollzug und die Aushebelung der bauaufschiebenden Wirkung von Klagen sowie durch die gleichzeitige Reduzierung der Gerichtsbarkeit auf eine einzige, noch dazu völlig überlastete Instanz (Bundesverwaltungsgericht) werden die Vertreter der Restvernunft zwar irgendwann ihr Recht bekommen, aber die Autobahn ist dann längst fertig. Muß man sich diese Enteignung umweltpolitischer Grundrechte gefallen lassen? Ausgerechnet in einem Jahr, das von einem neuen Verkehrsbewußtsein geprägt war? Mitnichten. Wir dürfen getrost vorhersagen, daß die neuen Autobahnen — pro Kilometer eine neue Bürgerinitiative — so langsam gebaut werden wie keine andere Rennpiste jemals zuvor. Die Zeiten, in denen absolutistische Herrscher ihre Dekrete durch die Lande schickten und den Störenfrieden Halsgeigen umlegten, sind endgültig vorbei. Auch diese Lektion wird der Raststätten- und Verkehrsminister Krause noch lernen müssen.

Und selbst wenn es tatsächlich gelänge, die neuen Fernstraßen und Autobahnen in Rekordzeiten durch Wälder und Wiesen zu graben: Den Stau wird Minister Krause nicht mehr einholen können. Der Stau ist schneller als jede beschleunigte Straßenbauorgie. Und jede neue Straße vergrößert den Stau. Denn: Wenn man die Tauben füttert, kommen immer mehr. Manfred Kriener