: David gegen Goliath
■ Morgen wird der Europäische Filmpreis verliehen
Knapp 4.000 Kinos gibt es in Deutschland. Allein 600 davon sind zur Zeit mit dem Terminator belegt.
Immer weniger Filme in immer mehr Kinos — der europaweite Trend der letzten Jahre konnte durch freiwillige Kopienzahlbeschränkungen, durch Quotierungsdebatten, die Erfindung des Europäischen Filmpreises und der European Cinema Society, durch bilaterale Kooperationen und Euro-Koproduktionen weniger aufgehalten, als bestenfalls mühsam kaschiert werden. Der Krieg um die Kassenschlager ist längst vorbei: Die USA hat ihre Weltmachtposition auf dem Unterhaltungssektor gesichert, Europa ist kassiert. Zwischen 70 und 90 Prozent der Filme, die in westeuropäischen Ländern zu sehen sind, stammen von den „Major Companies“. Auch Osteuropa wurde in Windeseile erobert: Im vergangenen Jahr waren 98 Prozent aller Filme in Polen made in USA, in Ungarn kam nicht eine Eigenproduktion in die Kinos.
Der beinhart geführte US-Feldzug hat seine Gründe. Die Kostenexplosion in der amerikanischen Filmindustrie (immer höhere Produktionsetats, gigantische Werbekampagnen, astronomische Stargagen) macht Auslandsexporte wichtiger denn je zuvor; die US- Companies brauchen den europäischen Markt, um die Unkosten überhaupt wieder einspielen zu können. Und die Japaner, die sich mittlerweile einen nicht unbeträchtlichen Teil der Majors eingekauft haben (MCA gehört Matsushita und CBS Sony), basteln fleißig an der Digitalisierung der Unterhaltungsbranche. Ziel ist das Kinoprogramm vom Satellit, ein Sender für alle.
Und nun zum vierten Mal der Europäische Filmpreis, alias Felix: das kleine Kind vom Oscar, viel Rummel, ein paar Stars, Glamour live vom DEFA-Gelände. Und ausgerechent Babelsberg, ausgerechnet Berlin-Potsdam liefert diesmal den Rahmen.
Nirgendwo in Westeuropa wird Film so schlecht gefördert wie in der Bundesrepublik. Kleinstaaterei und Klüngelwirtschaft, Kleckersummen und Bürokratenparcours, versteckte Fernsehsubventionierung und Abwanderung von Regisseuren und Schauspielern Richtung Hollywood bestimmen das Bild. Die anstehende Novellierung des Filmförderungsgesetzes wird daran kaum etwas ändern. Schon jetzt haben die unabhängigen Verleihfirmen Protest dagegen formuliert. Die Novellierung beinhalte bestenfalls kosmetische Korrekturen; sie fordern daher die ersatzlose Aufhebung des Gesetzes.
Von Zuständen wie in den romanischen Ländern, die dem US-Monopol wenigstens mit Importbeschränkungen und Kino- wie Fernsehquotierung zugunsten europäischer Produktionen begegnen, kann hierzulande nur geträumt werden. Erst recht von einem Filmfan wie Jack Lang in den Reihen der Politiker.
Am schlimmsten sieht es derzeit in Berlin und Brandenburg aus: Die DEFA wird verkauft, die Ostberliner Kinos werden von der Treuhand für Kleckerbeträge angeboten, der Berliner Filmbeauftragte hat das Handtuch geschmissen und ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Im laufenden Haushaltsjahr wurden die für Berliner Filmförderung vorgesehenen Bundesmittel im Kulturetat nicht speziell für den Film deklariert, sondern anderweitig ausgegeben — so zumindest lautet eine nicht dementierte Meldung.
Die NRW-Filmstiftung fördert mit immerhin 70 Millonen DM, Berlin und Brandenburg bringen zusammen nur wenig mehr als die Hälfte auf den Tisch. Ein großer Teil der Berliner Fördersummen geht derzeit für DEFA-Produktionen und -Koproduktionen drauf. Mancher Berliner Produzent geht deshalb leer aus. Eine gezieltere Zusammenarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg ist zwar versprochen; doch da sind die langsamen Mühlen der Bürokratie vor — ein Trauerspiel.
Ob der Felix nun morgen an Schlöndorffs Homo Faber, an Jacques Doillon, Ken Loach oder Jaco von Dormael verliehen wird — der Sieger der Saison steht längst fest: Es ist der Cyborg-Roboter. Christiane Peitz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen