: Ein stiller Lächler unter dem Schnurrbart
■ Der türkische Schauspieler Duygu Atay nimmt die Eheproblme zwischen seinen Landsleuten und Deutschen aufs Korn
Berlin. Er macht Witze über Türken. Zu einem Zeitpunkt, zu dem Fremdenhaß einen neuen Höhepunkt erlebt, steht er auf der Bühne und macht sich über Türken lustig. Doch er — das ist Duygu Atay, selber gebürtiger Türke. Was er kritisiert, ist ihm genauestens bekannt — auch die Deutschen sind vor seinen Parodien nicht sicher.
Mit seiner Frau Asuman und Katrin Großmann inszeniert er Momentaufnahmen des Zusammenlebens. Mein Mann ist Türke heißt das Stück, das die Gruppe »Kabaresk« zur Zeit auf vier verschiedenen Kleinbühnen zeigt und das insbesondere die Probleme binationaler Ehen zum Inhalt hat. »Dieses Thema habe ich noch nirgends in der Literatur entdeckt«, sagt Autor, Regisseur und Darsteller Atay. Die Ehe sei noch immer ein gesellschaftliches Tabu. Diese extremste Form des Zusammenlebens werde der öffentlichen Diskussion vorenthalten.
Bedächtig wiegt Atay den Kopf, winkt dann energisch ab: »Nein«, sagt er, »mit Tabus kommen wir nicht weiter.« Er möchte »parodistisch und humoristisch Probleme aufzeigen«. Immer wieder prallen türkische und deutsche Lebensformen aufeinander: Als hilfloser Gastarbeiter mit obligatorischer Aldi- Tüte scheitert er am unerbittlichen »Frollein« bei der Flugabfertigung, Unverständnis zeigt er als Ehemann über den Kaufrausch seiner deutschen Frau zu Weihnachten. Ohne Skrupel schlüpft er auch in die Rolle des deutschen Hertha-Fans Horst, der sich während einer Fußballübertragung von ausländischen Nachbarn gestört fühlt: »Wo steht eigentlich geschrieben, daß Türken unbedingt zu Hause Krach machen müssen?« Mit dem Besenstiel donnert er gegen die Decke und erringt so seinen »Sieg — Sieg gegen den Türken!« Als heiratswilliger Manfred ist er hingegen nicht gewillt, sich türkischen Traditionen zu unterwerfen: »Ich gehe zu keinem Schwanzabschneider.«
Traditioneller Dogmatismus ist ebenso Ziel seines Spottes wie die Unfähigkeit, mit fremden Bräuchen umzugehen. Er selbst hat früh lernen müssen, mit Gegensätzen zu leben. »Ich bin zehn Minuten von Europa entfernt geboren«, sagt Atay, der auf der asiatischen Bosperusseite von Istanbul zur Welt kam. Durch Zufall gelangte er dort ans Staatstheater, wo er als 22jähriger den Großvater in Brechts Stück Der gute Mensch von Sezuan spielte. Doch türkische Rechtsradikale stürmten das Theater, und die Schauspieler mußten fliehen. »Zwei Stunden später standen wir wieder auf der Bühne und haben ohne Publikum weitergespielt.« Atay verließ die staatliche Bühne und gründete eine eigene Gruppe.
Absurdes Theater wurde gespielt, »das war gerade Mode«. In Ankara inszenierte die Gruppe ein Werk des türkischen Schriftstellers Nazim Hikmet, dessen Stücke seit zwanzig Jahren verboten waren. Als das Militär 1971 putschte, zog Atay nach London. Er wurde Nachtportier in Paris, Zeitschriftenautor in Berlin, machte mit einem Zeitungsladen Pleite und wurde Kulturpädagoge in Kreuzberg.
Erneut begann er ein Theaterstück zu schreiben: 52mal führten Duygu und Asuman Atay ihren (Alp)Traumurlaub in der Bundesrepublik auf. Eine Bühne war im Weddinger »Olof-Palme-Kulturzentrum«. Dort gründete er mit jungen deutschen und türkischen Berlinern die Theatergruppe »Multibühne«. Dabei lernte er Katrin Großmann kennen, die er für »Kabaresk« anwarb. Sie ist die blonde Deutsche, er der schwarzhaarige Türke; der Beginn für Mein Mann ist Türke war getan. Die Episoden des Stückes sind einfach, keine große Literatur, Szenen, die Atay Sketche nennt.
Doch der Begriff täuscht: Die Momentaufnahmen provozieren kein fröhliches Gelächter. Denn »wer nur lacht, versteht nichts«. Seinen »Kampf gegen die Oberflächlichkeit« nimmt er mit feinsinnigem Humor auf: »Bei uns sagt man: ein Lächeln unter dem Schnurrbart.« Und auch wenn er keine Lösungen zeigen möchte, soll sein Stück doch zum gegenseitigen Verständnis beitragen — und damit gegen Rassismus. »Denn mit Fremden umgehen«, so die Philosophie von Duygu Atay, »kann nur, wer auch über sich selbst lächeln kann.« Christian Arns
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