piwik no script img

Bitte keine grünen Kröten!

■ Die Politik der Umweltpartei etwa in Bremen ist ihrem Selbstverständnis weit voraus

Bitte keine grünen Kröten! Die Politik der Umweltpartei etwa in Bremen ist ihrem Selbstverständnis weit voraus

Kein Jubel kam bei den Bremer Grünen auf, als die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen und damit im vierten Anlauf seit 1979 ihr Einzug in die Landesregierung feststand. Dabei haben sie in den vergangenen Wochen gut verhandelt: Nirgends sonst zwischen Rhein und Oder hat ein grüner Umweltminister so viele Kompetenzen. In der bundesdeutschen Umweltministerkonferenz bekommen Joschka Fischer aus Wiesbaden, Monika Griefahn aus Hannover und Matthias Platzeck aus Potsdam mit dem Bremer Ralf Fücks eine redegewandte Verstärkung.

Die Umweltpartei, in Bonn seit der verlorenen Bundestagswahl offensichtlich kopflos, kommt über die Länder wieder: Dies ist nicht nur eine wahlarithmetische Angelegenheit. Denn vergessen sind die eher ideologischen Grabenkriege von „Fundis“ und „Realos“, der „Aufbruch“-Strömungsvertreter Fücks muß angesichts der Bremer Kassenlage härtestes Austerity-Programm vertreten. Für milde Gaben an die grüne Klientel ist kein Pfennig in der Kasse. Aber auch aus Hessen oder Niedersachsen hört man nicht, daß die grünen Landesminister die Republik auf den Kopf stellen. Das Alltagsgeschäft des Regierens hat sie eingeholt, die Landespolitik bekommt neue Farbtupfer, keine neue Farbe. Das kann traurig für all die stimmen, die in der euphorischen grünen Proteststimmung der achtziger Jahre schwelgen. Aber die vereinte Republik der neunziger Jahre, in der die Grüne Partei aus der Oppositions- in die Mitregierungsrolle rutscht, ist eine andere.

Das Problem ist nicht mehr, wie der westdeutsche Reichtum anders zu verteilen ist, sondern wie die gesamtdeutsche Knappheit verteilt werden kann. Die Grünen heute sind weder prinzipiell gegen neue Straßen in Ostdeutschland, noch gegen eine Begrenzung des Ausländer-Zuzugs, der die Kassen der Kommunen überfordert. Andererseits haben sie bei der Ablehnung der Atomenergie in dem SPD-Fraktionsvorsitzenden einen Mitstreiter.

So neu ist also die politische Welt. Bisher taucht sie in der politischen Debatte der Grünen insbesondere in der Sprachfigur der „Kröte“ auf, die man schlucken müsse. Was fehlt, ist ein grünes Selbstverständnis, das dieser neuen Situation gerecht wird. Die Bremer Ampel-Koalition gibt einen Fingerzeig darauf, daß das grüne Nachdenken auch den Dialog mit liberalen Kräften der bundesdeutschen Gesellschaft einschließen muß. Klaus Wolschner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen