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Syrien: Hafez al Assad läßt wählen

Staatschef läßt sich bestätigen/ Offizielle Jubelkampagnen/ Schon eine Neinstimme ist gefährlich  ■ Aus Damaskus Kurt Lorenz

Wenn die Menschen in Syrien heute an die Urnen schreiten, um ihr Votum für die Präsidentschaftswahl abzugeben, dann steht das Ergebnis von vorne herein fest: Der alte und neue Staatschef wird Hafez al Assad heißen, und 99,x Prozent werden per Stimmzettel ihr „Ja zum ersten Führer der Araber“ abgeben. Einen Gegenkandidaten gibt es nicht.

Am 17. November nominierte das Parlament erneut den seit 21 Jahren amtierenden Präsidenten für eine weitere siebenjährige Amtsperiode. Am nächsten Morgen brach sich die organisierte Volksfreude Bahn: Hunderttausende, die in der staatlich kontrollierten Berichterstattung rasch auf zwei Millionen anschwollen, demonstrierten pfichtgemäß die Unterstützung der „Massen“ für Assad. Seither lächelt das ungewohnt leutselige Porträt des Staatschefs von allen Wänden. In den Medien geht eine massive Propagandakampagne für die Wiederwahl Assads selbst den Anhängern des Gefeierten auf die Nerven.

Davon gibt es nicht wenige. Wäre die Anonymität der Stimmabgabe sichergestellt — die Methoden zur Identifizierung von Neinstimmen unterscheiden sich von Wahl zu Wahl und Ort zu Ort — und würde das Ergebnis ohne „Korrekturen“ veröffentlicht, dann hätte der einzige Kandidat vermutlich trotz allem noch Aussichten auf eine Mehrheit. Die Liste derer, die ein Interesse am Erhalt des Regimes haben, ist lang: die Religionsgemeinschaft der Alawiten, die 13 Prozent der Bevölkerung stellen, über Schlüsselfunktionen verfügen und der der Präsident selbst angehört; die christliche und drusische Minderheit, die ein Wiederaufleben der 1982 blutig niedergeschlagenen Bewegung der Moslembrüder fürchten; alle, die im gigantischen Militär-, Sicherheits- und Geheimdienstapparat einflußreiche Positionen innehaben; und schließlich die neue Schicht der Industriellen und Joint-venture-Unternehmer, die ihre Karriere oft guten Beziehungen zu Mitgliedern der herrschenden Baath-Partei verdanken und mit der zunehmend marktwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschaftspolitik in dem offiziell noch immer sozialistischen System gut leben können.

Nicht, daß es eine Alternative gäbe. In Syrien wurden seit über zwanzig Jahren Ansätze zur Bildung einer wie immer gearteten Opposition konsequent und brutal unterdrückt. Eine offene Ablehnung des Regimes ist nach wie vor lebensgefährlich. Daran hat sich auch seit den wirtschaftlichen Liberalisierungsansätzen und der gestärkten Rolle Syriens nach dem Golfkrieg nichts geändert. Erst im Oktober veröffentlichte der im Damaszener Exil lebende saudische Schriftsteller Abdel Rahman Munif einen erschütternden Roman, der die Haftbedingungen und Foltermethoden in einem nicht näher genannten arabischen Staat beschreibt, unter dem provozierenden Titel: Jetzt — und hier!. Daß das Buch des durch seinen internationalen Bekanntheitsgrad geschützten Autors in Syrien zirkulieren kann, liegt daran, daß sich die Herrschenden davon einen doppelten Zweck versprechen: Zum einen kann man nach außen ein bißchen Liberalität demonstrieren, zum anderen aber nach innen deutlich machen, was denjenigen zustoßen kann, die die Grenzen des Erlaubten überschreiten.

Außer Zweifel steht, daß ein Nein zum „Führer“ Assad jenseits des Erlaubten liegt. Es ist auch die Angst, die die Menschen an die Wahlurnen treibt.

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