: CDU erweist sich als Blockflötenpartei
Der Ex-Fraktionschef der CDU im Landtag von Sachsen-Anhalt geht mit seiner Partei hart ins Gericht/ Auer tritt aus der CDU aus/ Heute soll ein Nachfolger gewählt werden ■ Von Eberhard Löblich
Magdeburg (taz) — So kometenhaft wie er vor gut einem Jahr aufgestiegen ist, so tief ist er jetzt gefallen. Joachim Auer, vor wenigen Tagen noch Chef der CDU-Landtagsfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, heute nur noch fraktionsloser Abgeordneter, der noch nicht weiß, wo er bei der Plenarsitzung morgen sitzen wird. Aus Protest gegen die Wahl des Westimports und Regierungschefs Werner Münch zum CDU-Landesvorsitzenden hatte der Wessi Auer am Samstag auf den Fraktionsvorsitz verzichtet und war am Sonntag auch noch aus der CDU ausgetreten. Seine Zukunft sieht er dennoch nicht als schwarzes Loch.
„Es gibt ja durchaus noch eine Menge anderer interessanter politischer Positionen, aber die werde ich nicht mehr in der CDU suchen“, sagte Auer gegenüber der taz. Er hat erst einmal die Schnauze voll von Parteien, will als fraktionsloser Abgeordneter weiter Politik machen. Die Aufforderung, sein Mandat niederzulegen, wies Auer am Montag zurück. „Basisarbeit“, fällt dem vor der DDR-Wende politisch völlig unerfahrenen Konservativen aus dem Westen ein.
In Wernigerode, wo er jetzt wohnt, will er seinen neuen Wahlkreis einrichten, sein Abgeordnetenbüro in Bitterfeld schließen. Bitterkeit wird ihm von dort nachwehen. Denn in Bitterfeld, so wird ihm vorgeworfen, hat er sich kaum sehen lassen. „Wie sollte ich denn?“ fragte er, „durch die Position als Fraktionsvorsitzender war ich doch die ganze Zeit in Magdeburg eingebunden.“
Und wenn politisch alles schiefgehe, dann habe er ja immer noch seinen Beruf, durch den der Unternehmensberater überhaupt nach Sachsen-Anhalt gekommen ist. Seinen Rücktritt und Parteiaustritt hält Auer nur für konsequent. „Ich bin ein Kämpfer und keiner, der zu Kreuze kriecht“, sagt er. Allerdings räumt er auch ein, Fehler gemacht zu haben. „Ich habe mir nicht so eine Hausmacht geschaffen wie Werner Münch.“ Als es jetzt zwischen den beiden Westimporten zur Nagelprobe kam, hatte der Ministerpräsident einfach die Nase vorn. Immer wieder hatte Auer öffentlich kritisiert, daß Münch für den Landesvorsitz der Partei kandidiert und damit verhindert, daß ein einheimischer Erneuerer der Partei ihre Identität erhalten kann.
„Die CDU ist noch 1.000 Lichtjahre von der Partei in den alten Bundesländern entfernt“, kritisierte Auer, und die rund 3.700 Parteiaustritte in den vergangenen Monaten stellen für ihn unter Beweis, daß viele an der Basis ähnlich frustriert sind. „Währenddessen hat Münch dafür gesorgt, daß die Blockflöten unter Gerd Gies hinter ihm strammstehen“, nimmt Auer an. Der Ex- Fraktionschef glaubt, daß die Durchsetzung Münchs ein später Racheakt des alten Parteichefs Gerd Gies an ihm, Auer, ist. „Der konnte nicht darüber hinweg, daß ich ihn im Sommer als Regierungschef gestürzt habe“, glaubt Auer, der durchaus der Meinung ist, daß ein Triumphvirat aus den beiden Wessis Auer und Münch sowie einem einheimischen Parteivorsitzenden Christoph Bergner in der Lage gewesen wäre, die Partei zu erneuern, zu neuen Ufern ebenso wie zu neuen Wahlsiegen zu führen. Verspielte Chancen. „Diese Partei hat sich auf dem Parteitag am Wochenende als die Blockflötenpartei erwiesen, die sie tatsächlich ist“, resümiert Auer. „Das ist nicht mehr meine Partei.“ Eine hoffnungsvolle politische Karriere endete, bevor sie richtig begann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen