: Vom Nachttisch geräumt: Ein graues Glück
Eine kleine Liebesgeschichte. Würde ich sie nacherzählen, klänge sie zu aufregend. Ein Gigolo kommt vor, eine Pistole. Aber Wanda Reisel, der 1955 geborenen holländischen Erzählerin, gelingt es, trotz des kurzen Auftauchens grellerer Farbtöne, ihre Geschichte ausschließlich in unterschiedlichen Grautönen zu erzählen. Ein Kunststück, dem ich erst mit rein artistischem Interesse zusah, das mich aber doch soweit faszinierte, daß ich die 140 Seiten ganz las. Durch einiges Kunstgewerbe hindurch, durch allerhand Angestrengtes, festhielt an der kleinen unmöglichen Liebesgeschichte, die auch am Leser vorübergeht wie ein verregneter November- Sonntagnachmittag. Es gibt, das habe ich bei diesem Buch gelernt, beim Lesen neben dem Glück der Identifikation auch das wohlige Gefühl: Dieser Kelch ist an mir vorübergegangen. Ein graues Glück.
Wanda Reisel: Die blaue Stunde. Übersetzt von Siegfried Mrotzek, Twenne Verlag, 144 S., 26 DM.
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