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KOMMENTAREBauernopfer

■ Israel-Connection und Schalck-Papiere waren zuviel für den Koordinator Stavenhagen

Irgendwie ist es ja doch alles etwas undurchsichtig, was der Bundesnachrichtendienst zum Wohle der Republik so treibt — irgendwie hatte sich ja doch eine Menge Unmut darüber angesammelt und — irgendwie hat Lutz Stavenhagen versagt, weil er den ganzen Schlamassel nicht abbiegen konnte, was als Koordinator des Kanzleramtes für die Geheimdienste eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre. Folglich mußte er gehen. Die SPD äußert sich denn auch „tief befriedigt“, weil der Kanzler nun endlich eingesehen habe, daß ihre Rücktrittsforderung gegenüber Stavenhagen berechtigt gewesen wäre.

So sehr der Rücktritt Stavenhagens auch zu begrüßen ist, wüßte man doch gerne, was denn nun seine eigentliche Verfehlung war. Am Donnerstag dieser Woche wird Stavenhagen sich erneut dem Schalck-Ausschuß stellen müssen. Es ist wahrscheinlich, daß er seine wahrheitswidrige Behauptung gegenüber der SPD, Schalck habe keine falschen Papiere bekommen, nicht befriedigend wird erklären können. Die politische Entscheidung jedoch, die Tarnpapiere für den Stasi-Offizier herauszugeben, ist nicht ihm anzulasten. Da wurde er vom BND und wahrscheinlich dem damaligen Innenminister Schäuble instrumentalisiert oder umgangen. Für die Tarnpapiere tragen jedenfalls andere die politische Verantwortung. Gravierender aber ist der rege Waffenaustausch des BND mit dem israelischen Geheimdienst Mossad. Dem Bericht Stoltenbergs an den Verteidigungsausschuß ist zu entnehmen, daß diese Form der Zusammenarbeit bereits seit 1967 existiert. 1967 regierte in Bonn eine große Koalition mit Brandt als Außenminister. Auch durch die sozialliberale Koalition erlitt diese Zusammenarbeit keinen Schaden.

Hier offenbart sich kein Fehlverhalten Stavenhagens, sondern ein Abgrund an Heuchelei des politischen Establishments der Bundesrepublik. Getrieben vom schlechten Gewissen, wurde hier eine Art militärische Wiedergutmachung betrieben, zu der sich diverse BRD-Regierungen jedoch nicht öffentlich bekennen wollten. Wäre es nur um die wechselseitigen waffentechnischen Informationen gegangen, hätten beide Seiten dies über die USA abwickeln können. Statt dessen hat Bonn den direkten Weg gewählt und damit nicht nur seine eigene Gesetzgebung über Waffenexporte unterlaufen, sondern Israel auch insgeheim signalisiert, daß es die Aufrüstung nach dem Sechstagekrieg für richtig hielt. Kein Wunder, daß der Bundesrepublik im Nahen Osten keine überzeugende Politik gelang. Innenpolitisch bedeutet diese einen Glaubwürdigkeitsverlust: Der Aufarbeitung der eigenen Geschichte wurde damit ein Bärendienst erwiesen. Jürgen Gottschlich

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