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Zur Normalität ein weiter Weg

Die ägyptisch-israelischen Beziehungen zwölf Jahre nach Camp David  ■ VON IVESA LÜBBEN

Im September dieses Jahres wollten 30 israelische Fußballspieler aus Tel Aviv Kontakte zu ägyptischen Fußballmannschaften knüpfen. Im selben Hotel in Ismaelia, in dem die Israelis residierten, trainierte auch der in Äygpten landesweit berühmte Ahli-Club. Aber statt auf das israelische Angebot eines Freundschaftsspiels einzugehen, verlegte der Trainer von Ahli demonstrativ die Trainingszeiten. Er könne angesichts der „Zionisten“ nicht Fußball spielen, solange in der Westbank und im Gaza-Streifen Palästinenser zusammengeschossen werden. Am Ende fanden sich schließlich einige Studenten der Suez-Universität bereit, mit den Israelis zu spielen und verloren haushoch. Das Spiel fand unter großem Polizeiaufwand statt. Die einzigen Zuschauer waren einige Hotelangestellte. Diese Geschichte ist symptomatisch für die israelisch-ägyptischen Beziehungen. Ägypten ist bislang das einzige Land, das Beziehungen zu Israel unterhält. 1979 schlossen die damaligen Präsidenten Sadat und Begin unter amerikanischer Schirmherrschaft das Friedensabkommen von Camp David. Aber von einer Normalisierung sind die beiden Länder noch weit entfernt. Von einem „kalten Frieden“ spricht denn auch der letzte Jahresbericht des staatlichen Ahram-Forschungszentrums für politische und strategische Studien. Nicht nur in der arabischen Welt, auch im Lande selber stößt das Seperatabkommen bis heute auf Ablehnung. Trotz Bemühungen der Isarelis, die wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit mit Ägypten zu intensivieren, beschränken sich die Ägypter auf offizieller wie auch auf inoffizieller Ebene auf das absolute Minimum. Bis heute weigern sich Gewerkschaften und Berufsvereinigungen, mit der israelischen Gewerkschaft Histadrut zusammenzuarbeiten. Mitgliedern, die sich nicht daran halten, droht der Ausschluß — so geschehen im letzten Jahr mit zwei Mitgliedern der Landarbeitergewerkschaft, die sich im Rahmen einer Delegation des Landwirtschaftsministeriums mit Histadrut- Vertretern trafen. Die israelische Presse hatte das als Beginn der ägyptisch-israelischen Gewerkschaftskooperation gefeiert.

Obwohl Ägypten seit Camp David offzielle Wirtschaftsbeziehungen zu Israel unterhält, halten sich die meisten privaten und staatlichen Unternehmen an den arabischen Boykott-Beschluß. Werden tatsächlich größere Geschäfte bekannt, so kommt das einem innenpolitischen Skandal gleich. Im September enthüllte die Oppositionspresse, daß staatliche Ziegeleien Baumaterialien nach Israel exportieren, die zum Bau von Siedlungen in der Westbank benutzt würden. Wohnungsbauminister Kafrawi kündigte eine Untersuchung an und versprach, die Verantwortlichen fristlos zu entlassen. Die einzigen Bereiche wirtschaftlicher Kooperation sind die Erdölförderung und die Landwirtschaft. Als Gegenleistung für den israelischen Rückzug aus dem Sinai mußten sich die Ägypter verpflichten, jährlich eine Million Tonnen Erdöl zu Vorzugspreisen an Israel zu verkaufen. Die israelische Seite hat mehrfach versucht, diese Quote zu erhöhen — vergeblich. Die Ägypter befürchten, die Abhängigkeit von einem einzigen Absatzmarkt könne sie erpreßbar machen.

Die israelisch-ägyptische Agrarkooperation geht in erster Linie auf die Privatinitiative von Landwirtschaftsminister Yussef Wali und den Druck von US-Aid zurück. Seit 1984 macht die amerikanische Entwicklungsgesellschaft mit Priorität Gelder für ägyptisch-israelische Agrar-Joint-ventures, gemeinsame Forschungsvorhaben und Bewässerungsprojekte locker. Anders als das Agrarministerium weigerte sich das Bewässerungsministerium, die Israelis an einem von US-Aid geförderten Projekt zur Neustrukturierung der nationalen Bewässerungsregulierung zu beteiligen. Begründung: die nationale Sicherheit werde dadurch gefährdet. Eine von Yussef Wali geplante Forschungskooperation zwischen den tiermedizinischen Fakultäten der Universitäten Kairo und Tel Aviv scheiterte an dem Veto der äygptischen Veterinäre. Er sei nicht bereit, den Palästinensern in den Rücken zu fallen, erklärte Dekan Yussri Khamis, und er lasse sich außerdem keine Befehle vom Minister erteilen.

Im letzten Jahr schickten viele der Abnehmer ägyptischer Früchte ganze Ladungen von Äpfeln, Weintrauben und Aprikosen wieder zurück. Sie waren mit international nicht zugelassenen, auf der Basis von Gen-Technik hergestellten Insektenbekämpfungsmitteln behandelt worden. Ursprungsland: Israel. Im selben Jahr erkrankten in mehreren Regionen Ägyptens Kühe und Schafe an der bislang in Äygpten unbekannten „Tal-Seuche“. Ägyptische Veterinäre machten kranke Zuchttiere aus Israel verantwortlich. Klagen über untaugliches Saatgut für Tomaten und Gurken aus Israel häuften sich. Die Oppositionspresse sprach gar von einem „biologischen Krieg“, der Ägypten 600 Millionen Pfund gekostet hätte. Seitdem sind die Agrarimporte aus Israel um 90 Prozent auf die lächerliche Summe von fünf Millionen Dollar gesunken.

Die bisherige Erfahrung Ägyptens mit der Wirtschaftszusammenarbeit mit Israel sei nicht gerade ein ermutigendes Beispiel für andere arabische Länder, heißt es in einer Studie des Forschungszentrums der liberalen und sonst eher prowestlich eingestellten Wafd-Partei, die genau zur Eröffnung der Madrider Konferenz veröffentlicht wurde.

„Auch wenn die Boykott-Maßnahmen gegen Israel aufgehoben werden, so kann doch niemand die Araber zur Zusammenarbeit zwingen. Wirtschaftskooperation setzt Vertrauen voraus. Aber Vertrauen läßt sich nur durch einen gerechten und dauerhaften Frieden erzielen. Ein solcher ist aber unter den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen nach der Zerstörung des irakischen Militärpotentials nicht gegeben. Die jetzt angestrebte Lösung wird ein Frieden auf Basis der amerikanischen und israelischen Bedingungen sein“, heißt die pessimistische Prognose.

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