Die EG als grenzenlose Müllhalde

■ Greenpeace warnt vor einem sinkenden Standard in der Umweltschutzpolitik/ Gift- und Atommüll dürfen nicht wie irgendwelche Waren behandelt werden

Den Haag/Brüssel (afp/dpa/taz) — Europäischer Binnenmarkt oder eiropäische Müllhalde? Diese beiden Optionen präsentierte gestern die Umweltschutzorganisation Greenpeace in Brüssel und forderte gleichzeitig eine Generalüberholung des Vertragsentwurfs zur Wirtschaftsunion. Statt dem freien Markt und Handel Priorität einzuräumen, müsse der Umweltschutz in den Vordergrund gestellt werden.

Denn mit dem Wegfall der Binnengrenzen, so die Aussage eines neuen Greenpeace-Reports, können nicht nur Waren und Dienstleistungen nach Belieben hin- und hergeschoben werden, sondern auch Gift- und Atommüll.

Greenpeace protestiert vor allen Dingen dagegen, daß nach Auffassung der Europäischen Kommission jede Form von Müll als Ware „wie Äpfel und Orangen“ eingestuft wird. In einem neuen Europa hätte unter diesen Umständen „kein Land mehr die Möglichkeit, die Ein- oder Ausfuhr von Sondermüll zu verbieten“.

Greenpeace fordert zudem, daß EG-Mitgliedsländer mit relativ hohen Umweltschutzstandards diese im „grenzenlosen Europa“ auch halten können und diese nicht aus Gründen der Konkurrenz herunterschrauben müssen. Die Gefahr bestehe, so Greenpeace-Sprecher Jim Puckett, daß letztlich eine Politik des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ den europäischen Umweltschutz dominiere.

Unterdessen ist von den vorbereitenden Gesprächen zum EG-Gipfel in Maastricht nicht viel mehr übriggeblieben als ein Formulierungsstreit. Während der französische Außenminister Roland Dumas am Dienstag noch mitteilte, man habe auf Wunsch Großbritanniens das Wort Föderalismus aus dem Vertragstext für eine künftige europäische Union gestrichen, dementierte dies gestern ein niederländischer Regierungsvertreter. Die europäischen Regierungen befänden sich auch weiterhin im Verhandlungsprozeß. Daher wäre es „dumm“, das Wort nun aus dem Entwurf zu streichen.

Es sei nicht auszuschließen, daß er gestrichen werde. Das werde sich in den „letzten 30 Sekunden“ des Gipfels in Maastricht entscheiden. Alles hänge von dem Preis ab, der an Großbritannien gezahlt werden müsse. Auf dem EG-Gipfel muß im Rahmen des Vertrages zur Politischen Union über zahlreiche weitere umstrittene Punkte verhandelt werden, darunter die Industriepolitik, eine Sozialcharta, der Föderalismus sowie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

Ein schwieriges Thema für die Staats- und Regierungschefs werden vor allem die Finanzwünsche Spaniens und Portugals sein. Sie wollen einen progressiv steigenden Anteil an den EG-Geldern haben, die in mehrere neue Fonds in den Bereichen Umwelt und Infrastruktur abfließen sollen.

Bisher haben Madrid und Lissabon keinerlei Kompromißbereitschaft erkennen lassen. Spanien hat gedroht, die Verträge über die Politische Union zu boykottieren, wenn seine Vorstellungen in diesem Punkte nicht erfüllt werden. Bonn hat sich entschieden gegen diese Pläne ausgesprochen.

Im sozialen Bereich wird es in Maastricht vor allem um die Frage gehen, ob Entscheidungen künftig statt einstimmig mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden können. Insbesondere Großbritannien wehrt sich gegen diesen Eingriff in seine Hoheitsrechte. anb