Neu in der Schauburg

■ My Private Idaho

Zwei Strichjungen auf Wanderschaft. Das weckt schlimme Befürchtungen, den solche Geschichten werden im Kino meist schwülstig oder „sozialkritschig“ in Szene gesetzt. Aber Regisseur Gus van Sant hat schon mit seinem letzten Film „Drugstore Cowboy“ bewiesen, daß er einen ganz eigenen, unsentimentalen Blick auf die outcasts der amerikanischen Gesellschaft hat. James Dean und „Easy Rider“ haben auch bei „My Private Idaho“ Pate gestanden, aber Mike und Scots Reise von Seattle über Portland, Idaho bis zum Römer Knabenstrich und retour wird in verschiedenen, ganz unerwarteten Stilen inszeniert.

Gus van Sant versucht hier vieles, und nicht alles ist ihm gelungen. Scott wird zwar sehr attraktiv und eindringlich von Keanu Reeves gespielt, aber van Sants Konzept reduziert ihn leider auf eine reine Kunstfigur: direkt aus Shakespeares „Henry IV“ übernommen, mit einem dicken Vagabunden als seinem Falstaff und einer furchtbar artifizieller Theatersprache kämpft er sich tapfer durch leblos manirierte Szenen, die übel nach Filmkunst stinken. River Phoenix hat mehr Glück mit seiner ganz realistisch angelegten Rolle des Mike, der von Schlummeranfällen heimgesucht wird, auf der Reise überall vergebens seine Mutter sucht und mit sehr cooler Unschuld durch sein Stricherdasein stolpert.

Udo Klier spielt in einer Nebenrolle einen abartigen Kunden der beiden, an dem das Beunruhigendste merkwürdigerweise die Tatsache ist, daß er aus Deutschland kommt und Ersatzteile für Autos verkauft. Alle Szenen mit den Freiern wirken unwirklich und absurd, Bettszenen sind auf erstarte Posen in Schwarz/weiß reduziert. Männliche Pin-Ups auf den Titelblättern der Schwulenmagazine in den Regalen eines Sex-Shops lösen sich dagegen plötzlich aus ihren Posen und unterhalten sich von Heft zu Heft über ihre Träume vom Glück. In solchen Momenten ist der Film überraschend witzig, aber am längsten wirkt die graue, triste Schönheit der Landstraßen von Idaho nach. Dort läßt der Film am Schluß auch einen sehr verlorenen Mike zurück, aber nicht ohne dem Publikum noch in einem Zwischentitel „a nice day“ zu wünschen. Eine Pointe, die mehr provoziert als die Stricherszenen an der Toilette.

Wilfried Hippen

Ab sofort anzugucken in der Schauburg, um 18.00 und 20.30 Uhr, sonntags 22.30 Uhr