piwik no script img

Streit um TRT-International

In zehn Bundesländern wird das fünfte Programm des türkischen Fernsehens ins Kabel eingespeist/ Probleme gibt es jetzt in Bremen und Berlin  ■ Von Özcan Ayanoglu

Was ist los mit Türkiye-Radyo-Televizyon (TRT)? Von der deutschen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, produziert die türkische Presse Panikstimmung. Mit Schlagzeilen wie „Heftige Debatten über TRT- INT“ oder „TRT-Fernsehsendungen in Gefahr“ lenkt das Massenblatt 'Hürriyet‘ die Aufmerksamkeit der Leserschaft in der Bundesrepublik auf das türkischsprachige Programm.

Seit Februar 1990 wird der fünfte Kanal des türkischen Fernsehens unter dem Namen TRT-International täglich ab 18 Uhr via Satellit nach Europa abgestrahlt. Inzwischen können die Sendungen aber auch über Kabel in Belgien, Holland und England (wenn hier auch nur in London und Umgebung) empfangen werden. Hier in Deutschland wird es in zehn der alten Bundesländer ins Kabel eingespeist. Die Berliner, mit allein 135.000 Türken, waren die ersten.

Derzeit laufen Verhandlungen darüber, ob auch die 30.000 in Bremen und Bremerhaven lebenden Türken in den Genuß dieser Sendungen kommen. Aber hier gibt es Probleme: Die Bremer Landesmedienanstalt hat im Vorfeld der Verhandlungen die Programme von TRT- INT beobachten und analysieren lassen. Das Ergebnis: die Informationssendungen geben ausschließlich die Meinung der türkischen Regierung (damals Özals Partei ANAP) wieder, andere sind grundsätzlich nicht zugelassen.

Am 8.November veranstaltete dieselbe Medienanstalt eine öffentliche Anhörung über die Frage der Zulassung. Neben verschiedenen Organisationen und Parteien nahm auch der Europa-Vertreter von TRT-INT, Zafer Ilgar, teil. Er ist der Meinung, daß die Bremer Bedenken in Ankara ernstgenommen werden. Neben den in Aussicht gestellten Verbesserungen räumt er ein, daß jedeR FernsehzuschauerIn im Rahmen der Mediengesetze ja ein Widerspruchsrecht habe. Der Direktor der Bremer Landesmedienanstalt, Wolfang Schneider, steht vor dem Dilemma, daß einerseits die einseitige Berichterstattung von TRT-INT gegen die Paragraphen des Landesmediengesetzes verstoße, andererseits im Bundesland Bremen kein einziges türkischsprachiges Fernsehprogramm existiert. Kommt hinzu, daß die tägliche türkischsprachige Hörfunksendung biz-bize bei Radio Bremen im Frühjahr 1990 in Ungnade gefallen ist. Wegen einer Mittelkürzung wurde sie auf 40 Minuten pro Woche reduziert.

Wolfgang Schneider steckt in einer Zwickmühle: „Man fühlt sich nicht wohl, wenn TRT-INT in Bremen und Bremerhaven verboten wird, in den anderen Ländern aber problemlos über den Äther geht.“ Die Anstalt steht unter Zeitdruck, denn am 13.Dezember müssen die Verhandlungen abgeschlossen sein.

Aber auch in Berlin gibt es Schwierigkeiten mit TRT-INT. Für Inge Ludwig von der Berliner Anstalt für Kabelkommunikation ist es unerheblich, daß die Sendungen regierungsnah sind, denn in der Berliner Kabelfernsehlandschaft sorgen fünf verschiedene Programme in türkischer Sprache für Vielfalt und Konkurrenz. Das Problem besteht darin, daß TRT-INT vertraglich verpflichtet ist, bis Ende 1992 30Prozent seiner Sendungen regional zu produzieren und zu senden. Doch, so Inge Ludwig, „die haben diese Quote bis jetzt auch nicht annähernd erfüllt“. Der TRT-INT-Vertreter Ilgar wurde seitens der Berliner Kabelanstalt auf diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht. Bis April 1992 müssen nämlich die Verhandlungen über die Verlängerung der TRT-INT-Lizenz in Berlin abgeschlossen sein.

So ist es zu verstehen, weshalb ein TRT-Fernsehteam seit einigen Wochen in Berlin, Köln, Bonn und Frankfurt am Main emsig unterwegs ist, um sogenannte „Regionalprogramme“ vor Ort zu drehen. Ilgar: „Wir werden in Zukunft durch diese Programme die 30-Prozent-Quote erfüllen. Dabei denken wir auch an deutschsprachige Teile.“

Bleibt zu hoffen, daß das neue Regierungsbündnis in der Türkei, das die Meinungsvielfalt im Fernsehen auf ihre Fahnen geschrieben hat, auch auf das Programm von TRT- INT durchschlägt.

Im Koalitionsprogramm jedenfalls ist die Unabhängigkeit des Türkischen Fernsehens und damit auch die Chance auf wirkliche Informationsfreiheit festgeschrieben. Vielleicht wird das TRT ja jetzt zu dem, was es immer schon sein sollte: ein öffentlich-rechtliches Fernsehen. Darüber werden sich nicht nur die Bremer freuen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen