: Spahlinger Eins: Komponist, Musiker
■ Mathias Spahlinger traf auf das Arditti-Quartett
Es war keine überflüssige Show- Probe, auch kein voyeuristisches Schlüsselloch-Gucken, als am Samstag nachmittag über 60 Interessierte in Katrin Rabus' großer weißer Galerie verfolgten, wie der Komponist Mathias Spahlinger mit seinem 1982er Werk „Apo do“ und die vier Musiker des weltweit renommierten „Arditti“-Streichquartetts zusammenkamen: eine konzentrierte, respektvolle Annäherung, eine erste persönliche Begegnung.
„Die Situation hier ist künstlich, aber unsere Schwierigkeiten sind ganz echt!“ verriet Violonist David Albermann in bestem Deutsch. Allein die Notation! Wie bringt man dieses Schaben und Schleifen, Knarzen, Ratschen, Knacken, Schnalzen, Zupfen, Knarren, Plingen, Knipsen, Klopfen, Quietschen auf Notenpapier, wie entziffert man die Signale? „Wie macht man ein Straßenschild für eine Gefahr, die plötzlich kommt?“
„Nur der Komponist hat das Recht zu sagen, wir verändern das notierte Tempo“, sagte Albermann und löste so einfach die Spannung zwischen den intepretierenden Musikern und dem Komponisten, der für sämtliche musikalischen Sekundenbruchteile seiner „Musik, die keiner konventionellen Syntax folgt“, präzise Klangvorstellungen im Kopf hat. Spahlinger ging an solche Kleinarbeit: Eine Generalpause, exakt durchgezählt, kam zu kurz: „Das sollen keine exakt gezählten Pausen sein — sondern schwarze Löcher!“ Die Stelle, wo mit überhöhtem Bogendruck die Saiten gepreßt werden, „das kreischt und quietscht, je näher man am Steg spielt, lieber tiefer spielen, knatternder, sonorer!“ Und Takt 48 bis 49: „Das beginnt tatsächlich mit einer Triolen-Achtelpause!“
Spahlinger, verriet Albermann, hat Pausen notiert — „Pausen mit Akzenten! Das müssen wir spielen! Es ist besser, wenn man spielt, was der Komponist geschrieben hat.“
Wie kommt ein traditionell hierarchisches Quartett mit dieser Musik klar, die alle Ordnungskategorien ersatzlos „dekomponieren“ will? „Wir setzen die Tradition fort“, sagt Albermann schlicht, „bei uns gibt es Hierarchie. Wir können nur überleben mit System und Know-How.“ S.P.
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