: Grüne Denkpause nur bis Dienstag
■ Ampel soll am Dienstag abend noch einmal debattiert werden / SPD und FDP setzen weiter auf Ampel
Nach der knappen 97:96 Entscheidung der Grünen Mitgliederversammlung liefen über das Wochende die Telefone heiß.
Aus Ostberlin meldete sich Wolfgang Templin, Bundessprecher vom „Bündnis '90“. Die Organisation der DDR-Bürgerbewegungen hatten mit der zweiten Ampel-Koalition nach Brandenburg die „Hoffnung“ verbunden, daß sich in der Bundespolitik der Grünen etwas bewegt. Aus Bremerhaven teilte Hajo Sygusch, in der letzten Legislaturperiode Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen, seinen Parteiaustritt mit. Helmut Spitzley, Wissenschaftler und Energie-Experte, will aus den Grünen austreten, wenn das „Nein“ zu dem Ampel-Verhandlungsergebnissen nicht revidiert wird. Verschiedene AktivistInnen aus Netzwerk, Lagerhaus Schildstraße, Belladonna, Breminale, Schlachthof und anderen sozialen, kulturellen und frauenpolitischen Projekten sammeln Unterschriften für einen Appell an die Grünen, sich die Sache noch einmal zu überlegen.
Christine Bernbacher, Mitglied der grünen Fraktion, hatte nach der entscheidenden Abstimmung am vergangenen Samstag eine „Denkpause“ verlangt. Die wird allerdings nicht lange dauern können: Schon während des Abends machten Vertreter der SPD und der FDP klar, daß sie zur Not das Ampel-Koalitionsprogramm mit einer sozialliberalen Koalition umsetzen wollen und dabei auf die Tolerierung von Mitgliedern der grünen Fraktion rechnen.
Der Termin der Wahl des Senats am kommenden Mittwoch, seit langem vereinbart, soll nicht verschoben werden — die beiden Plätze der Grünen, so hatte Horst Isola noch am Samstag abend vorgeschlagen, sollten notfalls bis Januar freigehalten werden.
In getrennten Parteisitzungen machten SPD-und FDP-Spitze am Sonntag klar, daß sie zu der Ampel-Koalition nach wie vor stehen. Unter dem Eindruck der Reaktion in der eigenen Partei beschloß der Landesvorstand der Grünen, kurzfristig für den Abend vor der geplanten Senatswahl zur Fortsetzung der am Samstag offiziell nur „unterbrochenen“ Mitgliederversammlung einzuladen. „Wir bekommen starke Rückmeldung aus der Partei, daß das Abstimmungsverfahren zu einer Vermischung von Motiven geführt hat, die noch einmal getrennt bewertet werden müssen“, begründet der Landesvorstand seine Haltung und sieht vier verschiedene Motive: generelle Ablehnung einer Regierungsbeteiligung, Ablehnung einer Koalition unter Einschluß der FDP, Unzufriedenheit mit einzelnen Verhandlungsergebnissen und Unzufriedenheit mit den Ressortaufteilungen. Die Grünen forderten gleichzeitig ihre Verhandlungspartner auf, über Ressortaufteilungen und daraus entstehende personelle Konsequenzen noch einmal zu reden.
Die Mehrheit des Landesvorstandes ist dafür, daß die grüne Fraktion die SPD/FDP-Senatoren mitwählt, noch einmal über Ressort-Zuschnitt und Kosten durch das elfte Ressort verhandelt, so daß dann im Januar die beiden grünen Senats-Positionen nachgewählt werden könnten. Uwe Helmke, Minderheit im Landesvorstand, will der SPD rein rot-grüne Koalitionsverhandlungen vorschlagen.
Der Sprecher des Bundesvorstandes der Grünen, Ludger Volmer, meinte in Bonn, die Entscheidung der Bremer Grünen sei „kein Indiz für Politikunfähigkeit“.
K.W.
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