Lachen und Schwarzrotgold

■ »Unsere Republik« von Jensen/Koch in der »Tribüne«

Eine Art zeitgeschichtliche Revue hatte 1980 am Bochumer Schauspielhaus Premiere; »Unsere Republik« hieß die Szenen- und Liedercollage über die Jahre 1945-1980. Die Texte hatte der Hausdramaturg Uwe-Jens Jensen zusammengestellt; Hans Georg Koch, Schauspiel-Musiker, schrieb die Kompositionen. Zehn Jahre später spielt die Berliner Tribüne »Unsere Republik«, erweitert um die Zeitgeschichte des gerade vergangenen Jahrzehnts.

Alles beginnt mit dem »Zusammenbruch« des Dritten Reichs; man befürchtet Schlimmstes, wenn die Trümmerfrauen die Bühne erklimmen oder das nachfolgende Marschlied 1945 erklingt. Aber schon beim Auftauchen der amerikanischen Alliierten )Tom Dooley Song) setzt Erleichterung ein. Nur unterbrochen durch einen charmanten Conférencier, reiht sich locker Wehmütiges und Amüsantes zu einem schnellen, facettenreichen Nummernprogramm: So tauchen in den vierziger Jahren neben Vergangenheitsbewältigung und Nachkriegselend auch Zynismus (Schweinefleisch ist teuer) und Humor über die alliierten Besatzer (Die Eingeborenen von Trizonesien) auf.

In der Fünfziger-Jahre-Abteilung des Abends wird das Zeitgeschehen der Zeit unter anderem durch eine Kriegsheimkehrerszene (Krüppelgarde) und Borcherts Draußen vor der Tür — der Traum vom »Knochenxylophon« — repräsentiert. Doch auch das Aufkommen des Rock'n'Roll und der reibungslose Job-Wechsel von NS-Sturmtruppen zur Bundeswehr bleiben nicht unerwähnt: Wenn bei Capri die rote Flotte im Meer versinkt.

Robert Jungks Ruf zur Wiederbelebung der Phantasie geht im Gegröle Ganz Paris träumt von der Liebe unter; Furcht und Elend der Nürnberger Prozesse werden durch die vergebliche Ausrede einer Schar von Opfern/Zeugen Täter vorgeführt — die angeklagten Täter bleiben unerschütterlich ignorant.

Nach der Pause befinden wir uns in den Sechzigern, und nicht nur die Parodie Honeckers (in der Rede zum Mauerbau) und Kiesingers (erotisches Statement zur Studentenbewegung) ist zu erleben, sondern auch die Einführung der Gastarbeiter (die nur leidlich willkommen sind) und der Tod von Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg (ein Bericht vom Zeitzeugen Bommi Baumann wird von allen fünf Musikern, die im übrigen hervorragend musizieren, zeitversetzt im Zuschauerraum erzählt). Zum Ausklang gibt es Flower Power mit Gesang.

In den darauffolgenden siebziger Jahren liegt der Schwerpunkt bei der RAF und ihren Opfern, wobei dazu auch Meinhof, Baader, Ensslin und Raspe selbst gehören. Zum Schluß gibt es die achtziger Jahre, und da sind neben Barschel und der Maueröffnung (Kohl bringt Bananen) auch ein Rap der Graffiti-Kultur nebst dröhnender Rockmusik vertreten. Bedächtig und unspektakulär endet dieser Abend mit Wolf Biermanns Hölderlin-Lied.

Betrachtet man diese Produktion, ohne weltbewegendes oder preisverdächtiges Theater zu erwarten, sondern als »leichte Kost« mit dem Ziel des Amüsements, so ist dem Regisseur Rainer Behrend und der Choreographin Helga Wolf Beachtliches gelungen: Die einzelnen Text- und Gesangsnummern wie auch das Gesamtbild lassen sicheres Handwerk in der Sparte »Unterhaltung« erkennen. Das Bühnenbild von Folker Ansorge schafft eine passende RevueAtmosphäre, und die Kostüme von Christine Armbruster haben nicht nur zeitgeschichtlichen Chic, sondern auch Witz.

Santiago Ziesmer ist ein souveräner und nie langweiliger Conférencier; Tom Deininger und Horst Schultheiss überzeugen durch ihre schauspielerische Leistung. Bei den Gesangspartien sind besonders die stimmlich hervorragende Jazzerin Ackie Murray wie auch Silvia Christoph hervorzuheben. Und der Rest des Ensembles läßt Spielfreude erkennen und wirkt erfreulich routiniert.

»Unsere Republik« ist die rundum gelungene Produktion eines kleinen Hauses, an der sich viele größere Theater ein Beispiel nehmen können. York Reich

Nächste Termine: 10. bis 15. Dezember, jeweils um 20 Uhr in der Tribüne, Otto-Suhr-Allee, Charlottenburg.